Elfenstern
niedergeschlagen, wie es sich schickte, das Gesicht fast
gänzlich von dem
breitkrempigen, mit Rosen besetzten Hut verborgen. Die Schwester konnte
ihr nie
einen Vorwurf machen. Doch Calandra, die vom Fenster im oberen
Stockwerk auf
die Szene hinunterschaute, war mit Aleathas Tricks vertraut. Ihre Lider
mochten
sittsam gesenkt sein, nicht aber die purpurnen Augen, die zwischen den
langen
schwarzen Wimpern hervorglänzten. Die vollen Lippen waren
leicht geöffnet und
schimmerten feucht. Der Menschensklave mußte schwere Arbeit
leisten und war
entsprechend muskulös. Wegen der Hitze hatte er das Hemd
ausgezogen und trug
nur die von den Menschen bevorzugten engen Hosen aus Leder. Calandra
sah, wie
er das Lächeln erwiderte, wie er sich unnötig viel
Zeit nahm, um ihrer
Schwester in die Gondel zu helfen, und wie ihre Schwester absichtlich
beim
Einsteigen den Körper des Mannes streifte. Sie
überließ dem Sklaven sogar für
einen Augenblick ihre Hand! Dann besaß sie die Dreistigkeit,
sich aus der
Gondel zu lehnen, unter der zurückgebogenen Hutkrempe hervor
nach oben zu
blicken und Calandra zuzuwinken!
Der Sklave, der Aleathas Blick gefolgt war,
besann sich plötzlich auf seine Pflicht und nahm eilig seine
Position ein. Die
Gondel bestand aus den Blättern des Benthanbaums, die man zu
einem runden,
vorne offenen Korb geflochten hatte. Dieser Korb hing, gehalten von
mehreren
Klammergreifern, an einem starken Seil, das von Aleathas Elternhaus in
den
Dschungel hinabführte. Aus ihrer dumpfen Lethargie
aufgeschreckt, krochen die
Klammergreifer das Seil entlang und zogen die Gondel zum Haus hinauf.
Nach
getaner Arbeit sanken die Greifer wieder in Schlaf und glitten das Seil
hinunter bis zu einer Kreuzung, wo Aleatha in eine andere Gondel
umsteigen
mußte, deren Klammergreifer sie an ihr Ziel brachten.
Der Sklave schob die Gondel an, und Calandra
schaute zu, wie ihre Schwester mit flatternden grünen
Röcken in die üppige
Dschungelvegetation eintauchte.
Calandra hatte nur ein verächtliches Lächeln
für
den Sklaven, der sehnsüchtig und bewundernd der
entschwindenden Gondel
hinterhersah. Was für Einfaltspinsel diese Menschen waren! Sie
merkten es nicht
einmal, wenn sie zum Narren gehalten wurden. Aleatha war flatterhaft,
aber
immerhin beschränkte sie sich bei ihren Affären auf
Männer ihres eigenen
Volkes. Den Sklaven machte sie nur deshalb schöne Augen, weil
es vergnüglich
war, ihre primitiven Reaktionen zu beobachten. Aleatha würde
sich eher von
ihrem Schoßhund küssen lassen als von einem
Menschen.
Bei Paithan lagen die Dinge anders. Während sie
sich wieder an ihre Arbeit setzte, beschloß Calandra, dem
Küchenmädchen eine
Arbeit in der Packerei zuzuweisen.
Aleatha lehnte sich in der Gondel zurück und
genoß den kühlen Luftzug auf ihrem Gesicht. Sie nahm
sich vor, irgendeinen
ihrer Verehrer auf Lord Durndruns Fest mit der Geschichte von dem
liebestrunkenen Sklaven in Aufregung zu versetzen. Natürlich
würde sich alles
ein wenig anders anhören.
»Ich schwöre Euch, Fürst,
daß er meine Hand
drückte, bis ich dachte, er würde sie zerquetschen,
und dann besaß der Unhold
die Unverfrorenheit, seinen schweißbedeckten Körper
an mich zu pressen!«
»Abscheulich!« würde Lord
Irgendwer sagen, das
blasse Elfengesicht vor Widerwillen gerötet … oder
vielleicht wegen der
Vorstellung von Körpern, die sich aneinanderpreßten?
Aleatha malte sich aus,
wie er näherrückte. »Und was habt Ihr
getan?«
»Ihn ignoriert, selbstverständlich. Das ist
die
beste Art, diese Barbaren zu behandeln – abgesehen von der
Peitsche. Aber schließlich
konnte ich ihn doch nicht schlagen, oder?«
»Nein, aber ich!« hörte sie den
Lord mit
ritterlicher Begeisterung ausrufen.
»O Thea, du bringst die Sklaven noch zur
Verzweiflung mit deiner Koketterie.«
Aleatha fuhr zusammen. Von wem stammte dieser
störende Einwurf? Von einem imaginären Paithan, der
sich ungebeten in ihren
Tagtraum eingeschlichen hatte. Sie hielt ihren Hut fest, bevor der
Fahrtwind
ihn entführen konnte, und nahm sich vor, darauf zu achten,
daß ihr Bruder
anderweitig beschäftigt war, bevor sie ihre bezaubernde kleine
Geschichte zum
besten gab. Paithan war ein netter Kerl, der es nicht darauf anlegte,
seiner
Schwester mit Absicht den Spaß zu verderben, aber in seiner
Naivität merkte er
oft gar nicht, was er anrichtete.
Die Gondel wurde langsamer
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