Elfenstern
damit glücklich werden. Wem schadete
es? Er beschloß, das Risiko einzugehen, den Zorn seiner
Schwester auf sich
herabzubeschwören.
»Wohin, sagtet Ihr, wird Vater sein …
sein Volk
führen, Zifnab?«
Calandra schenkte ihm einen düsteren Blick, aber
sein Vater lebte auf, wie Paithan gehofft hatte. »Ja,
wohin?« fragte Lenthan
schüchtern, während seine fahlen Wangen sich
röteten.
Der alte Mann deutete mit dem Hühnerbein nach
oben.
»Das Dach?« Lenthan war verwirrt.
Der alte Mann hob das Hühnerbein höher.
»Der
Himmel? Die Sterne?«
Zifnab nickte kauend.
»Meine Raketen! Ich wußte es! Habt Ihr das
gehört, Elixnoir?« Lenthan wandte sich an den
Elfenastrologen, der aufgehört
hatte zu essen und den Konkurrenten finster musterte.
»Mein verehrter Lenthan, wir wollen doch
realistisch bleiben. Eure Raketen sind wahre Wunderwerke, und wir sind
zweifellos
auf dem besten Weg, sie demnächst bis über die
Baumwipfel aufsteigen zu lassen,
aber wir sollten noch nicht davon reden, Angehörige unseres
Volkes könnten auf
diese Weise zu den Sternen fliegen! Laßt es mich an einem
Beispiel erläutern.
Hier ist ein Modell unserer Welt, gemäß den uns von
den Vorfahren überlieferten
Legenden und bestätigt durch unsere eigenen Beobachtungen.
Gebt mir diesen
Feigenkaktus bitte. Dies hier«, er hielt die Frucht in die
Höhe, »ist Pryan –
und das ist unsere Sonne.«
Elixnoir verstummte und hielt Ausschau nach
einer passenden Sonne.
»Unsere Sonne«, kam Paithan ihm zur Hilfe
und
reichte ihm eine Kumquat.
»Vielen Dank.« Der Astrologe war
erleichtert.
»Würdet Ihr vielleicht so freundlich sein? Sonst
habe ich gleich keine freie
Hand mehr.«
»Aber sicher doch.« Paithan hatte einen
Riesenspaß. Er vermied es, Aleatha anzusehen, um nicht laut
herauszuplatzen.
Elixnoirs Anweisung folgend, hielt er die Kumquat zwischen Daumen und
Zeigefinger in einiger Entfernung von dem Feigenkaktus in die
Höhe.
»Dies hier« – der Astrologe nahm
einen
Zuckerwürfel aus der Schale und führte ihn in einem
weiten Kreis um die Kumquat
und die Kaktusfrucht herum – »stellt einen der
Sterne dar. Seht nur, wie weit
er von unserer Welt entfernt ist! Ihr könnt Euch vorstellen,
welch ungeheure
Entfernung Ihr würdet zurücklegen müssen
…«
»Mindestens sieben Kumquats«,
flüsterte Paithan
seiner Schwester zu.
»Er hat nur zu gern an Vater geglaubt, wenn es
darum ging, sich eine freie Mahlzeit zu sichern«, bemerkte
Aleatha kühl.
»Lenthan!« Der Astrologe deutete mit
verantwortungsbewußtem Ernst auf Zifnab. »Dieser
Mann ist ein Scharlatan! Ich
…«
»Wen nennt Ihr einen Scharlatan?«
Die Stimme des Drachen erschütterte das Haus.
Wein schwappte aus den Gläsern auf das Spitzentischtuch.
Kleine, zerbrechliche
Gegenstände rutschten von Beistelltischchen und fielen zu
Boden. Im
Arbeitszimmer stürzte polternd ein Bücherschrank um.
Durch das Fenster sah
Aleatha ein Mädchen schreiend und gestikulierend aus der
Küche rennen.
»Ich glaube, wegen des
Küchenmädchens brauchst
du dir keine Gedanken mehr zu machen, Callie.«
»Das alles ist unerträglich.«
Calandra erhob
sich. Wer sie ansah, fröstelte, so kalt und starr war ihr
Gesicht. Ihr
schmaler, hagerer Körper schien nur aus Ecken und Kanten zu
bestehen, an denen
man sich verletzen konnte, sollte man es wagen, ihr zu nahe zu kommen.
Lenthan
duckte sich eingeschüchtert. Paithan, dessen Lippen zuckten,
konzentrierte sich
darauf, die Serviette zu einem spitzen Hut zu falten. Aleatha seufzte
und
trommelte mit den Fingerspitzen auf den Tisch.
»Vater«, sagte Calandra mit furchtbarer
Stimme,
»ich bestehe darauf, daß sofort nach dem Essen
dieser alte Mann und sein … sein
…«
»Vorsicht, Callie«, mahnte Paithan, ohne
aufzublicken, »du beschwörst eine Katastrophe
herauf.«
»Ich will sie aus dem Haus haben!«
Calandra
umfaßte die Stuhllehne; ihre Knöchel traten
weiß hervor. Der kalte Wind ihres
Zorns schüttelte sie, der einzige kalte Wind, der in diesem
tropischen Land
wehte. »Alter Mann!« Ihre Stimme klang schrill.
»Hast du mich verstanden?«
»Wie bitte?« Zifnab schaute auf,
lächelte seine
Gastgeberin liebenswürdig an und schüttelte den Kopf.
»Nein, vielen Dank, meine
Liebe. Ich könnte keinen Bissen mehr herunterbringen. Was
gibt’s zum
Nachtisch?« Paithan konnte ein Kichern nicht
unterdrücken und hielt sich rasch
die Serviette vor sein
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