Elfenstern
nicht wissen, wo
es schon überall gewesen war.
Der Wirt kam mit einem Krug Bier herbeigeeilt.
Nachdem er probiert hatte, lobte Paithan das Bier als ausgezeichnet und
machte
sich damit den hocherfreuten Wirt zum ergebenen Diener –
fürs ganze Leben oder
wenigstens so lange sein Geld reichte. Paithan setzte sich in eine
Nische,
legte die Füße auf den Stuhl gegenüber,
lehnte sich zurück und öffnete
erwartungsvoll die zweite Rolle.
Es war ein Brief von Aleatha, der vermutlich
keine Antwort verlangte.
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Kapitel 10
Haus Quindiniar,
Equilan
Lieber Paithan,
Du bist vermutlich überrascht, von mir zu
hören.
Ich bin keine eifrige Briefeschreiberin. Wie ich Dich kenne, wirst Du
aber
nicht beleidigt sein, wenn ich Dir die Wahrheit sage – ich
schreibe aus
schierer Langeweile. Ich hoffe von ganzem Herzen, daß diese
Verlobung nicht
allzu lange dauert, oder ich verliere den Verstand.
Ja, lieber Bruder, ich habe mein
›sündhaftes
Treiben‹ aufgegeben. Wenigstens vorübergehend.
Sobald ich eine ›tugendsame alte
Ehefrau‹ bin, gedenke ich, ein unterhaltsameres Leben zu
führen, dazu braucht
es nur ein wenig Geschick und Diskretion.
Wie vorauszusehen, hat es wegen der
bevorstehenden Hochzeit einen kleinen Skandal gegeben. Die
Fürstinmutter ist
eine mißgünstige alte Hexe und hätte
beinahe alles ruiniert. Sie hatte den
Nerv, Durndrun meine Affäre mit Lord R. auf die Nase zu binden
und ihm zu
sagen, daß ich in gewissen Etablissements Drunten verkehrt
und mich sogar mit
Menschensklaven eingelassen hätte! Kurz, ich bin ein
Flittchen, nicht würdig,
den guten, alten Namen Durndrun zu tragen.
Glücklicherweise hatte ich so etwas
vorhergesehen und meinem ›Herzblatt‹ das
Versprechen abgeschwatzt, mich über
alle Anschuldigungen seiner Frau Mama zu informieren und mir
Gelegenheit zu
geben, mich zu verteidigen. Er hielt sich daran, kam zu mir und wollte
mich
sprechen. Bei TAGBEGINN, ausgerechnet! Das ist eine Gewohnheit, die ich
ihm
gleich nach der Hochzeit austreiben werde! Bei Orn! Was tut man zu so
unheiliger Stunde? Es ließ sich nicht ändern. Ich
mußte mich sprechen lassen.
Anders als viele Frauen sehe ich zum Glück auch gleich nach
dem Aufstehen recht
passabel aus.
Durndrun wartete in Gesellschaft von Calandra im
Salon, die die ganze Angelegenheit immens zu genießen schien.
Sie ließ uns allein – durchaus korrekt bei
Verlobten, mußt Du wissen –, und sogleich begann
dieser Mann mir die von seiner
Mutter ausgesprochenen Beschuldigungen entgegenzuschleudem!
Ich war natürlich vorbereitet.
Sobald ich begriff, woher der Wind wehte, sank
ich ohnmächtig zu Boden. (Nebenbei, richtig in Ohnmacht fallen
ist eine Kunst.
Man darf keinen Schaden anrichten und sich möglichst keine
unansehnlichen
Prellungen zuziehen. Es ist nicht so einfach, wie es aussieht. ) Nun,
Durndrun
erschreckte sich gehörig und konnte nicht anders, als mich
aufzuheben und auf
das Sofa zu legen.
Ich kam grade rechtzeitig zur Besinnung, um ihn
daran zu hindern, nach der Dienerschaft zu klingeln, nannte ihn einen
›Schuft‹
und brach in Tränen aus.
Wieder konnte er nicht anders, als mich in die
Arme nehmen. Während ich schluchzend meine besudelte Ehre
beklagte und daß ich
niemals einen Mann lieben könnte, der kein Vertrauen zu mir
hätte, versuchte
ich ihn wegzuschieben, sorgte aber dafür, daß in dem
Handgemenge mein Kleid
zerriß und Seine Hochwohlgeboren feststellen mußte,
daß seine Hand an eine
Stelle geraten war, wo sie nicht hingehörte.
»Aha! Dafür hältst du mich
also!« Ich warf mich
auf das Sofa, wobei ich in dem verzweifelten Bemühen, den
Schaden zu reparieren,
alles noch schlimmer machte. Meine einzige Sorge war, daß er
die Diener rufen
könnte, daher durfte ich des Guten nicht zuviel tun und etwa
hysterisch werden.
Er stand auf, und aus den Augenwinkeln konnte
ich beobachten, welcher Kampf in seiner Brust entbrannt war. Ich
mäßigte mein
Schluchzen, wandte den Kopf und sah durch einen Schleier goldener Haare
zu ihm
auf. Aus Erfahrung weiß ich, wie ich den Kopf halten
muß, damit meine Augen
einen besonders unwiderstehlichen Glanz bekommen.
»Ich gebe zu, daß man mich durchaus
verantwortungslos nennen könnte«, sagte ich mit
erstickter Stimme, »aber ich
habe auch nie eine Mutter gehabt, um mir zu raten! So lange habe ich
nach
jemandem gesucht, den ich von ganzem Herzen lieben und ehren kann, und
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