Elfenstern
die Hände auf
dem
Rücken. »Ich habe mich weniger gelangweilt als
sonst.«
»Vielleicht ergibt sich wieder einmal die
Gelegenheit, über Sterne zu sprechen.«
»Kaum. Ich bin zu einem Entschluß
gekommen.
Dichter sind Lügner. Ihr seht besser zu, daß Ihr mit
dem Hund nach draußen
kommt. Callie wird das Geheul nicht dulden.«
Haplo ging an ihr vorbei und wandte den Kopf, um
etwas über Dichter zu sagen, doch sie schlug ihm die
Tür vor der Nase zu.
Er ließ den Hund hinaus, schlenderte zu dem
freien Platz, auf dem er mit seinem Schiff gelandet war, blieb stehen
und
starrte in den sonnigen Himmel. Die Sterne waren deutlich zu erkennen.
Sie
leuchteten hell und gleichmäßig, ohne zu
›zwinkern‹, wie es die Poeten
auszudrücken pflegten.
Er versuchte sich zu konzentrieren; versuchte,
den Widerspruch zu durchschauen, mit dem er es hier zu tun hatte
– ein Retter,
der gekommen war, um zu zerstören. Doch seine Gedanken
weigerten sich, ihm zu
gehorchen.
Dichter. Er war im Begriff gewesen, Aleatha eine
Antwort auf ihre letzte Bemerkung zu geben. Sie irrte. Dichter sagten
die
Wahrheit.
Das Herz war der Lügner …
… In seinem neunzehnten Jahr im Labyrinth
traf
Haplo die Frau. Sie war ein Läufer wie er und
ungefähr im selben Alter. Auch
ihr Ziel war dasselbe – zu entkommen. Sie fanden Gefallen
aneinander und
setzten den Weg gemeinsam fort. Liebe ist im Labyrinth zwar nicht
unbekannt,
doch sie wird geleugnet. Lust ist akzeptabel – die
Notwendigkeit, Kinder in die
Welt zu setzen, um gegen das Labyrinth zu kämpfen. Bei Tag
zogen die beiden
weiter, auf der Suche nach dem nächsten Tor. Bei Nacht fanden
sich ihre tätowierten
Körper zu leidenschaftlicher Umarmung.
Eines Tages trafen sie auf eine Gruppe von
Siedlern – diejenigen Bewohner des Labyrinths, die sich zu
Horden
zusammenschließen, langsam von Ort zu Ort ziehen und die
Zivilisation
repräsentieren, soweit in jenem höllischen
Gefängnis überhaupt von Zivilisation
die Rede sein kann. Wie es Sitte war, brachten Haplo und seine
Gefährtin ein
Geschenk an Fleisch mit, und dafür boten die Siedler ihnen
Unterkunft in ihren
primitiven Behausungen an.
Von seinem Platz am Feuer sah Haplo zu, wie die
Frau mit den Kindern spielte. Die Frau war grazil und schön.
Ihr dichtes,
braunes Haar fiel über straffe, runde Brüste,
tätowiert mit den Runen, die
sowohl Waffe als auch Schild waren. Der Säugling auf ihren
Armen war in
gleicher Weise tätowiert, wie jedes Kind vom Tag der Geburt
an. Sie blickte zu
Haplo auf, und etwas Geheimnisvolles geschah mit ihnen. Sein Puls
jagte.
»Komm«, flüsterte er und kniete neben ihr
nieder, »laß uns in die Hütte
gehen.«
»Nein«, antwortete sie lächelnd
und betrachtete
ihn durch den Schleier ihrer seidigen Haare. »Es ist noch zu
früh. Unsere
Gastgeber wären beleidigt.«
»Zum Teufel mit unseren Gastgebern!« Haplo
sehnte sich danach, sie in den Armen zu halten, sich in ihrer
Wärme und der
süßen Dunkelheit zu verlieren.
Sie tat, als wäre er nicht da, sang dem Kind
Lieder vor und ließ ihn den ganzen restlichen Abend leiden,
bis er lichterloh
in Flammen stand. Als sie sich endlich in die Abgeschiedenheit der
Hütte
zurückzogen, gab es für sie beide in jener Nacht
keinen Schlaf.
»Hättest du gerne ein Kind?«
fragte sie in einer
der ruhigen Phasen der Erschöpfung.
»Was soll das heißen?« Er
betrachtete sie mit
gespannter, hungriger Erwartung.
»Nichts. Nur … würde es dir
gefallen? Du müßtest
dieses Leben aufgeben und ein Siedler werden, weißt
du.«
»Nicht unbedingt. Meine Eltern waren Läufer
und
hatten trotzdem ein Kind – mich.«
Haplo sah seine Eltern tot am Boden liegen, in
Stücke gehackt. Sie hatten ihn bewußtlos geschlagen,
damit er das Grauen nicht
sah, damit er nicht schrie und sich verriet.
Am nächsten Morgen gab es Neuigkeiten –
weiter
vorn hatte sich offenbar ein Tor geöffnet. Es bestand trotzdem
noch Gefahr,
doch jedes Tor, das sie durchschritten, bedeutete einen weiteren
Schritt auf
dem Weg in die Freiheit, einen weiteren Schritt auf dem Weg zum
sicheren Hafen
des Nexus, von dem so viele Gerüchte erzählten. Haplo
und seine Gefährtin
verließen das Dorf der Siedler.
Sie bahnten sich vorsichtig, wachsam einen Weg
durch das wuchernde Unterholz des Waldes. Beide waren erfahrene
Kämpfer, und
sie verstanden die Anzeichen zu deuten: den Geruch und das Prickeln der
Weitere Kostenlose Bücher