Elfensturm (Mithgar 04)
von Erdstößen erschüttert wurde.
Kurz vor Mitternacht kam Aylis zu Aravan. Ihre hellbraunen Haare waren jetzt leicht mit Silber durchwirkt, und ein Geflecht dünner Linien hatte sich rings um ihre Augen gebildet. Sie war müde, erschöpft und niedergeschlagen. Sie nahm Aravans Hand in ihre und streichelte sie sanft. »Irgendwo in der Welt lodert große Macht, Liebster, obwohl wir nicht in der Lage zu sein scheinen, sie zu isolieren. Drienne zieht so viel Feuer ab, wie sie sich traut, doch der Zusammenschluss kann nicht mehr tun, als die Flut ein wenig einzudämmen. Welchen Plan Durlok auch verfolgt, wir können ihm nicht Einhalt gebieten, sondern ihn nur ein wenig aufhalten. Deswegen bin ich zu dir gekommen, um dich um einen Gefallen zu bitten.«
Aravan küsste ihre Finger. »Du brauchst ihn nur auszusprechen, Chieran.«
»Du musst mit der Eroean nach Darda Glain segeln und die Verborgenen von dort fortbringen.«
Aravans Augen weiteten sich. »Aber ich lasse dich nicht hier zurück«, protestierte er.
»Liebster, du musst segeln. Kein anderes Schiff ist schnell genug, um in der wenigen Zeit, die uns noch bleibt, dorthin zu gelangen.«
»Weißt du denn, wie viel Zeit noch bleibt?«
Müde fuhr Aylis sich mit einer Hand durch die mit Silber durchwirkten Haare. »Wenn Durlok seinen Schwur einhält, haben wir vielleicht noch etwas mehr als fünf Tage – nicht ganz sechs.«
»Dann komm mit mir, Chieran.«
»Ich kann nicht. Ich werde hier gebraucht.«
Aravan blickte ihr lange in die Augen. Vom Himmel schauten die stummen Sterne auf die beiden Liebenden herab. Schließlich nahm Aravan Aylis in die Arme und küsste sie sanft. Und er flüsterte: »Ich komme zurück und hole dich.«
Tränen liefen der Seherin über die Wangen, als Aravan sich umdrehte und zu den anderen ging. Nach einigen Worten kam Jinnarin zu Aylis gerannt. »Wir kommen zurück, Schwester.« Dann lief die Pysk zu Jatu, und der schwarzhäutige Hüne hob sie in seine zurückgeschlagene Kapuze. Alle winkten Aylis noch einmal zu und sie ihnen, und dann machten sie auf dem Absatz kehrt und gingen zum Tor des Gartens.
Und die Welt erbebte noch einmal.
Als die Gefährten die Hafengegend erreichten, sahen sie eine geringe Zahl verängstigter Männer und Frauen am Kai sitzen und offenbar auf ein Schiff warten. Diese Leute wussten nicht, welche Gefahr ihnen drohte. Sie spürten nur, dass etwas Schlimmes im Gange war. Ihnen kam die bebende Insel zu unsicher vor, und so saßen sie ruhig da und warteten, an Bord der Schiffe zu gehen, auf denen sie eine Passage gekauft hatten.
Gerade als Aravan und seine Begleiter über den Kai schritten, erschütterte ein weiterer Stoß das Land. Kinder spürten die Besorgnis ihrer Eltern, klammerten sich an Vater oder Mutter und weinten vor Furcht.
Aravan, Farrix, Jatu, Jinnarin und Bokar gelangten schließlich zum Liegeplatz der Eroean. Sie stellten fest, dass die Landungsbrücke an Bord gezogen worden war und die Zwergenkrieger entlang der Reling Wache standen. Als sie sich näherten, gab Kelek einen Befehl, und die Landungsbrücke wurde ans Ufer geschoben. Ein Mann mit einem schlafenden Kind auf dem Arm trat vor Aravan. »Setzt Ihr jetzt die Segel? Wenn ja, würde ich gerne eine Passage bei Euch buchen, aber ich habe kein Geld. Ich bin aber ein guter Arbeiter.«
Aravan schaute in seine flehenden Augen. »Nein, wir fahren nur zu einem anderen Teil von Rwn. Wenn Ihr und Eure Tochter diese Insel verlassen wollt, habt Ihr hier genug Münzen, um Euch eine Passage zu kaufen.« Aravan zog einen kleinen Beutel aus seinem Umhang, in dem Goldstücke klimperten, und drückte ihn dem Mann in die Hand. Dann drehte der Kapitän sich um und zeigte auf ein Schiff. »Das Schiff da drüben nimmt gerade Ladung auf.«
»Ach, mein Herr, ich weiß nicht…«
Aravan hob eine Hand, um den Redefluss des Mannes zu unterbrechen. »Zahlt es mir zurück, indem Ihr anderen Gutes tut.« Er warf einen Blick auf den ein Stück weit entfernt liegenden Schoner. »Geht jetzt. Ihr müsst Euch beeilen.«
Als der Mann davonhastete, erwachte das Kind. »Ach, Vater, schau nur, er hat einen kleinen Menschen in seiner Kapuze«, rief das Mädchen, doch er drehte sich nicht um.
Aravan wandte sich an seine Gefährten. »Wenn wir Fremde mit nach Darda Glain nehmen, bekommen wir die Verborgenen niemals an Bord. Doch wie kann ich es ihnen verweigern?«
»Kapitän«, meldete Jatu sich zu Wort. »Unsere Fahrt gilt zuerst den Verborgenen. Wenn wir noch
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