Elfensturm (Mithgar 04)
zu Ende war, zogen sie sich in die Messe zurück, um einen Toast auf den Frühling auszubringen, Aylis mit einem Kristallglas voll Sherry und Jinnarin mit einem Porzellanfingerhut voll vanchanischem Rotwein, während die anderen Branntwein aus Kristallschwenkern nippten.
»Auf die Erneuerung des Lebens«, sagte Bokar, woraufhin sie alle ihre Gläser hoben, feierlich Aye!, sagten und dann austranken.
»Komisch«, verkündete Jatu, als der Toast beendet war. »In Tchanga und übrigens auch in allen anderen Ländern südlich des Mittelkreises, vor allem jene unterhalb der Breite der Ziege, entspricht die Ankunft des Frühlings dem Ende der Jahreszeit des Wachsens. Dort ist jetzt die Zeit der Ernte gekommen. Genau das Gegenteil der nördlichen Breiten. Würde ich dort den Toast ausbringen, hätte ich mich nicht für die Erneuerung des Lebens und für neues Wachstum bedankt, sondern vielmehr für die Getreideernte und für alles, was die Natur uns beschert hat.«
»Hm«, sann Jinnarin. »Darüber habe ich noch nie nachgedacht, Jatu. Frühling im Norden ist Herbst im Süden…«
»Aye, und Sommer und Winter sind ebenfalls vertauscht.«
»O je«, grübelte Jinnarin, »glaubt Ihr, ich habe alles falsch gemacht – meine Gebete an Elwydd und Adon, meine ich?«
Jatu lachte ebenso wie die anderen, schüttelte dann den Kopf und sagte: »Keine Sorge, Lady Jinnarin, ich glaube, Sie kommen schon damit zurecht.«
Alamars buschige Brauen hoben sich, und seine Miene verfinsterte sich.
»Was ist denn, Vater?«, fragte Aylis.
»Ach, ich habe nur überlegt, dass wir rund um das Kap der Stürme in den Winter segeln, und mich gefragt, wie das Wetter wohl ist, wenn wir dort ankommen.«
Aravan zuckte die Achseln. »Je nach den Winden sollten wir in gut vier Wochen am Kap sein. Es wird vermutlich kalt und stürmisch sein und schneien.«
»Hèl und Verdammnis!«, fluchte Alamar und schnitt eine Grimasse. »Also segeln wir vom Ende eines Winters geradewegs zum Beginn des nächsten. Diese alten Knochen können nicht mehr allzu viel davon verkraften… das heißt, nicht ohne Stärkung.« Er leerte sein Glas, hielt es dann hin, um es sich neu füllen zu lassen, und lächelte, als dies geschah.
Jinnarin grinste den Alten an und wurde dann wieder ernst. »Ich habe mit Boder geredet. Er hat mir von den Stürmen am Silbernen Kap erzählt. Ist das Kap, das wir umrunden, genauso?«
Aravan schüttelte den Kopf. »Nein, Lady Jinnarin. Das Silberne Kap ist viel schlimmer, vor allem im Winter.«
»Oh, gut«, sagte Jinnarin und trank einen Schluck Wein aus ihrem Fingerhut. Dann fügte sie hinzu: »Ich meine, es ist gut, dass wir zu dem ruhigeren Kap fahren.«
»Ha!«, blaffte Bokar. »Ruhiger? Das würde ich doch bestreiten! Schließlich heißt es nicht umsonst Kap der Stürme.«
In nur zehn Tagen erreichten sie die Kalmen der Ziege, und wieder war Fortuna ihnen hold, denn sie gerieten in keine Flaute. Ein leichter, wechselhafter Wind brachte sie durch die Kalmen, und die Schleppboote konnten an Bord bleiben. Nichts unterbrach in dieser Zeit die gewohnte Routine auf dem Schiff: Aylis unterwies Aravan in der Sprache der Magier, Jinnarin und Alamar spielten Tokko und stritten, Rux jagte in den Laderäumen die wenigen Nager an Bord, Bokar und der Kriegstrupp übten mit ihren Waffen, und Jatu, Frizian und die Besatzung hielten das Schiff stetig auf Südostkurs, während unter Deck Schiffszimmermann Finch und sein Lehrling Quill gemeinsam mit den Zwergen, die gerade keinen Drill absolvierten, Boote mit flachen Böden baute.
Außerdem kehrte in dieser Zeit auch Jinnarins beängstigender Albtraum sporadisch wieder, aber sie und Aylis wagten sich nicht noch einmal hinein.
Als sie die Kalmen der Ziege passierten, drehte sich der Wind, bis er stetig aus westlicher Richtung wehte, also von schräg achtern, und sie setzten die Segel entsprechend, um das Beste daraus zu machen.
Allmählich näherten sie sich den polaren Breiten, und nachts wurde es bereits eisig kalt. Auch frischte der Wind immer stärker auf, je weiter sie nach Süden kamen.
Sie schwenkten nun mehr und mehr nach Osten und gerieten in eisigen Regen, kalte klare Tage und Schneetreiben. Über ihnen flackerte das Südlicht am Himmel. In einem Monat würde dieses Südpolarlicht genauso hell leuchten wie das Nordlicht am anderen Pol.
»Alamar, glaubt Ihr, dass Durlok auch im Süden Wolken herunterholt?«, fragte Jinnarin, während sie in den Nachthimmel starrte, wo manchmal eine schwache
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