Elfenwinter
vom Leben einiger weniger ab. Und davon, wie der Krieg gegen die Trolle verläuft. Emerelle wollte, dass die Trolle in Vahan Calyd siegen.«
Sie hielt inne und sah ihn direkt an. Ollowain schluckte. »Sie hat die Stadt geopfert und damit tausende Albenkinder! Ich habe sie geheilt. Ihr Körper weist keine Wunde mehr auf. Aber ihre Seele ist ein Hort unendlicher Qualen. Es gibt nur einen Grund, warum sie nicht erwacht: Sie flüchtet vor dem, was sie getan hat!«
Nun schüttelte Ollowain entschieden den Kopf. »Das sind die Lügen einer Diebin und Mörderin!« Lyndwyn sah ihn lange an. Ihre Augen waren wunderschön. Sie schienen so unschuldig.
»Ich weiß, dass du mich als Verräterin sehen musst, um weiterhin der weiße Ritter von der Shalyn Falah zu sein.« Sie erhob sich und watete durch das seichte Becken.
Ihr Anblick erregte ihn. »Wohin gehst du?«, fragte Ollowain gereizt.
»Ich werde nun meinen Preis für das eine Mal zahlen, dass ich dich wirklich getäuscht habe. Du weißt ja, man sagt: Leidenschaft ist das, was Leiden schafft. Lebe wohl, mein weißer Ritter.« Sie trat durch die Tür und verließ das Bad.
Ollowain betrachtete die Augenbinde, die vor ihm im Wasser trieb. Er fühlte sich immer noch blind. Unfähig zu sagen, was Trug und was Wirklichkeit war. Hatte sie ihn belogen? Hatte Emerelle von dem Angriff der Trolle auf Vahan Calyd gewusst? Die seltsame Sänfte schien Lyndwyns Worte zu bestätigen. Zumindest schien Emerelle gewusst zu haben, dass sie in dieser Nacht fliehen musste und ein Boot brauchen würde. Auch wenn er ihre Beweggründe im Augenblick nicht verstehen konnte, war er sich gewiss, dass Emerelle stets nur zum besten Albenmarks handeln würde.
»Lyndwyn?«
Er bekam keine Antwort. Sie hatte wohl Recht. Sehenden Auges hätte er sich niemals auf eine Affäre mit ihr eingelassen. Es hatte sich alles so richtig angefühlt. So vollkommen… Nie zuvor hatte er so leidenschaftlich eine Frau geliebt. Und auch ihre Leidenschaft schien nicht vorgetäuscht gewesen zu sein. Stimmte ihre Geschichte? Immer wieder gingen ihm ihre Worte durch den Sinn: Leidenschaft ist das, was Leiden schafft.
EIN GESPRÄCH IN DER NACHT
Das Wissen um das, was kommen musste, ließ Alfadas keine Ruhe. Er hatte sogar überlegt, Asla und die Kinder nach Albenmark mitzunehmen und dort vor den Trollen davonzulaufen. Doch wohin sollte er gehen als Mensch unter Albenkindern? Zu viele kannten ihn. Wer würde den Ziehsohn Emerelles aufnehmen, wenn die Trolle die Königin verfolgten? Wie Alfadas es auch drehte und wendete, seine Lage war hoffnungslos. Wenn Asla in Firnstayn blieb, dann war sie wenigstens unter Freunden. In dem Dorf, in dem sie aufgewachsen war, würde sie noch am leichtesten darüber hinwegkommen, wenn er nicht wiederkehrte.
Es war dunkel, als Alfadas den schmalen Weg zum Fjord hinabging. Eine unscheinbare Hütte nahe dem Wasser war sein Ziel. Hinter dem dünn geschabten Leder, das das einzige Sonnenloch in den Wänden gegen den Wind abschirmte, brannte gelbes Licht.
Unschlüssig blieb der Jarl kurz vor der Hütte stehen. Tat er das Richtige? Er legte den Kopf in den Nacken, um nach den Sternen zu sehen, als wüssten sie eine Antwort. In weiten Bögen zog das geisterhaft grüne Feenlicht über den Himmel. Wehmütig dachte Alfadas an die Märchen, die ihm sein Vater auf ihrer gemeinsamen Reise über solche Nächte erzählt hatte. Dann kamen die Elfen und Trolle in die Welt der Menschen, hieß es. Für diesen Herbst waren die Märchen Wirklichkeit geworden. Und seine Freundschaft zu den Elfen hatte ihm kein Glück gebracht.
Alfadas trat entschlossen vor die Tür der kleinen Hütte. Er musste die Dinge in dieser Welt in Ordnung bringen, bevor er nach Albenmark ging. Hinter der Tür hörte er Kalf summen und geschäftig rumoren. Als Alfadas klopfte, verstummte die Melodie. Die Tür schwang auf. Kalf sah ihn überrascht an. Der stattlich gebaute Fischer kam langsam in die Jahre. Sein langes blondes Haar war an den Schläfen ein gutes Stück zurückgewichen. Fältchen hatten sich um seine Augen und Mundwinkel eingenistet. Alfadas wusste, dass er nicht gerade der liebste Gast des Fischers war, dennoch wurde er freundlich hereingebeten. Verlegen räumte Kalf einige Kleider zur Seite, die auf dem Boden verstreut lagen.
Die kleine Hütte verströmte einen intensiven Fischgeruch. Auf dem Tisch lagen drei schlanke, silberne Leiber. Ihre Bäuche waren aufgeschlitzt. Kalf hatte damit begonnen, die Schuppen
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