Elfenwinter
jenes Tor, vor dem er als Junge so oft gestanden hatte und das zu durchschreiten ihm immer verwehrt geblieben war.
Die Marmorstufen erzitterten. Ollowain blickte zurück. Ein Teil der Treppe war weggebrochen, und in der Tiefe senkte sich die Mandan Falah dem feurigen See entgegen. Zwei der himmelragenden Brückenpfeiler waren zerbrochen.
Langsam, so als verneige sie sich zum Abschied vor ihm, sank die weiße Brücke dem Feuer entgegen. Die Trolle rutschten in Scharen vom glatten Pflaster. Zuletzt war die Brücke leer. Makellos. Sie hatte die Eindringlinge abgeschüttelt und glänzte wie frisch gefallener Schnee.
»Du wirst mit uns vergehen, Elflein!« Ein staubbedeckter Troll mit einer langen, blutigen Schramme auf der Stirn trat auf die Treppe über dem Abgrund.
Ollowain begann zu laufen. Seine Beine schmerzten. Der lange Weg hatte seine Kraft erschöpft. Immer näher klang das schwere Platschen der nackten Trollfüße auf dem Marmor.
Am Ende der Treppe lag eine kleine Grotte. Stalaktiten schimmerten hier in öligem Schwarz. Früher hatte es in der Höhle einen kristallklaren See gegeben. Jetzt klaffte ein breiter Riss im Boden. Das Wasser war verschwunden.
Ollowains Atem ging hechelnd. Die Luft war erfüllt von feinem Steinstaub, der in den Augen brannte und den Mund ausdörrte. Jeder Atemzug wurde zur Qual. Nur wenige Schritte noch bis zu jener verbotenen Tür! Halb blind schleppte er sich voran. Wenn er die Pforte hinter sich verriegelte, waren sie gerettet.
Endlich erreichte er den verborgenen Winkel. Die Tür war verschwunden! Aus dem Fels gebrochen!
Der Troll hatte ihn fast erreicht. Behutsam legte Ollowain Lyndwyn auf eine breite Bank, die aus dem Fels geschlagen war, und bettete ihr Haupt auf staubbedeckte Seidenkissen. Dann wandte er sich um und zog sein Schwert.
Auch der Troll wirkte erschöpft. Aus rot entzündeten Augen blickte er Ollowain an. »Verfluchte Elfen! Ihr konntet ihn uns nicht lassen! Lieber vernichtet ihr den Königsstein, als ihn an uns zu verlieren.« Mit einem weit ausholenden Axthieb griff er an.
Der Schwertmeister wollte den Hieb unterlaufen, doch der Troll wechselte im letzten Augenblick seine Schlagrichtung. Das breite Blatt seiner Steinaxt verfehlte knapp Ollowains Schulter. Der Elf rutschte auf Geröll aus. Halb strauchelnd sprang er außer Reichweite seines Gegners.
»Dann verreckt eben dein Weibchen zuerst«, murrte der Troll und stapfte zur Steinbank hinüber.
Ollowain wollte schreien, doch aus seiner wunden Kehle drang nur noch ein Krächzen. Er sprang vor. Sein Schwert schrammte über den Arm des Trolls.
»Lästiges Männlein.«
Der Ellbogen des Trolls traf Ollowain gegen die Brust. Er wurde von den Beinen gerissen und schlug hart gegen einen Felsen.
Sein Gegner setzte sofort nach. Benommen warf der Schwertmeister sich zur Seite. Zu langsam! Diesmal traf die Axt seine Schulter! Sein Kettenhemd zerriss. Er spürte Knochen splittern. Es flimmerte vor seinen Augen. Der Troll beugte sich hinab und wollte ihn aufheben. Ollowains Schwertarm schnellte hoch.
Hastig richtete sich sein Gegner auf, um der Klinge zu entgehen. Es knirschte. Zu erschöpft, um noch einmal anzugreifen, erwartete der Schwertmeister den Todesstoß.
Der Troll rührte sich nicht mehr. Blut sprudelte unter seinem Kinn hervor.
Ollowain blinzelte. Hat der Berg dich doch noch besiegt, dachte er. Die Spitze eines Stalaktiten ragte aus dem Kinn des Trolls. Der steinerne Dorn hatte ihm den Schädel durchbohrt, als er aufgesprungen war.
Der Elfenfürst schleppte sich zu Lyndwyn. Noch immer lag sie in Trance. Ollowains linker Arm hing schlaff und gefühllos herab. Dunkel strömte das Blut aus der tiefen Wunde.
Stöhnend riss er einen breiten Streifen Stoff von seinem zerfetzten Waffenrock und stopfte ihn in die Wunde. Er schob sein Schwert in den Gürtel und zog Lyndwyn hoch. Nur ein paar Schritte noch!
Ein gewaltiger Stoß ließ den Berg erzittern. Stalaktiten brachen aus der Höhlendecke und prasselten zu Boden. Der tote Troll rutschte vom steinernen Dorn.
Ollowain trat über die Türschwelle, die ihm immer verboten gewesen war. Wer sie überschritt, war jenseits der Jugend. Blinzelnd sah er sich in der engen Felskammer um, die er nur aus Erzählungen kannte. Zwei Schlitten mit weit hochgebogenen Kufen standen auf dem Boden vor einer runden Tunnelmündung. Hierher brachte man in festlichem Zug jene, die auf die letzte Probe gestellt wurden.
Ollowain hob Lyndwyn vor sich auf den Schlitten. Dann
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