Elfenzauber (Mithgar 1)
Schwarzen Berg eine Weile ruhen – wenigstens so lange, bis ich genug Kraft für eine Reise nach Rwn gesammelt habe.«
Er akzeptierte eine Tasse Tee und ein Honigbrot, und als es ihm auf die zittrige Hand gelegt wurde, fixierte er Arin mit stechendem Blick und sagte: »Was hat es denn nun mit diesen Visionen und allem auf sich?«
»Nur so viel, Zauberer Zelanj: Ich will wissen, ob Visionen Dinge vorhersagen, die eintreffen müssen, oder vielmehr von solchen Dingen künden, die eintreffen könnten. Blüht uns eine Zukunft, die wir nicht ändern können… oder haben wir eine Wahl in dieser Sache?«
»Ha! Ihr habt eine der ältesten Fragen von allen gestellt: Ist das Schicksal unwandelbar und kann nicht verändert werden, oder haben wir die freie Wahl? Was die Beantwortung dieser Frage angeht, dauert die Debatte noch an. Ich weiß die Antwort darauf jedenfalls nicht.«
»Oh.« Eine leise Äußerung der Enttäuschung entrang sich Arins Lippen.
»Nun, nun, meine Liebe, so schlimm ist das aber nicht.«
»Aber ich hatte gehofft…«
»Gehofft, ich könnte beantworten, was nicht zu beantworten ist?«
Arin nickte. »Etwas in der Art.«
Der uralte Zauberer zuckte die Achseln, nahm einen Bissen von seinem Brot und kaute langsam und mit nachdenklichem Gesicht.
Arin stellte ihre Tasse beiseite und wandte sich dann an den Seher. »Erzählt mir von den Visionen, Magier Zelanj. Können sie verändert werden? Glaubt Ihr, dass angekündigtes Verhängnis abgewendet werden kann? Können die Ereignisse meiner Vision verhindert werden?«
Der alte Seher trank einen Schluck Tee. »Vielleicht, Kind. Vielleicht.«
Rissa sah den alten Magier an. »Wisst Ihr von einer Vision, deren Resultat schließlich verändert wurde?«
»Gewiss. Bei meinen Manipulationen des Äthers habe ich viele Dinge gesehen, die hätten eintreten können, aber geändert wurden.«
»Einen Moment, Zauberer«, protestierte Perin. »Wenn die Dinge geändert werden können, habt Ihr dann nicht die älteste Frage von allen beantwortet?«
»Holla, Bruder«, rief Biren und schlug seinem Zwillingsbruder auf die Schulter, »ich glaube, ich verstehe deinen Gedanken.« Biren wandte sich an Zelanj. »Wenn die Dinge tatsächlich verändert werden können, heißt das nicht, dass es tatsächlich eine freie Wahl gibt?«
»Eben«, fügte Perin hinzu. »Bedeutet das nicht, dass wir nicht an ein feststehendes Schicksal gekettet sind und in eine unveränderbare Zukunft blicken?«
»Heißt es das nicht?«, wiederholte Biren.
»O nein, absolut nicht«, erwiderte Zelanj, wobei er mit seinem halb verzehrten Honigbrot herumwedelte. »Man könnte auch einfach sagen, dass manche Visionen wahr sind und manche falsch, und dass nur die falschen geändert werden können. Trotzdem kann es sein, dass wir gar keine Wahl in der Sache haben, sondern uns bestimmt ist, sie als falsch zu entlarven, und wir deshalb Maßnahmen ergreifen, um sie zu ändern, und es dann auch tatsächlich tun. Andererseits, wenn wir wirklich die freie Wahl haben und wir versuchen, die Vision zu verändern – wenn es uns dann gelingt, das Resultat zu verändern, haben wir wiederum bewiesen, dass die Vision falsch war. Entsprechend gilt, wenn wir keine Schritte unternehmen würden oder wenn wir scheiterten, wäre es dann nicht einfach so, dass die Vision wahr war? Oder eine Vision, deren Erfüllung vorherbestimmt war? In allen Fällen, wahre oder falsche Vision, verändert oder nicht, beantwortet kein Resultat die Frage, ob wir die vor uns liegenden Wege frei wählen können oder einem vorherbestimmten Pfad folgen müssen.« Er sah die Zwillinge an. »Könnt Ihr mir folgen?«
Die Zwillinge sahen einander an und schüttelten den Kopf. Perin sagte: »Ihr habt eine Abzweigung zu viel genommen, als dass ich Euch durch diesen logischen Irrgarten noch hätte folgen können.« Und Biren fügte hinzu: »Ich glaube, ich bin nach links gegangen, als Ihr irgendwann unterwegs nach rechts abgebogen seid.«
»Huah!«, seufzte Ruar. »Ich konnte Euch folgen, Zauberer, und wenn es so ist, stelle ich Euch folgende Frage: Was für einen Nutzen haben Visionen überhaupt, wenn sie wahr sein können oder auch nicht?«
»Na, sie bringen uns dazu, etwas zu tun, würde ich meinen. Wenn wir die freie Wahl haben, versetzen sie uns in die Lage zu handeln. Wenn wir nicht die freie Wahl haben, machen sie uns glauben, dass sie uns in die Lage versetzen zu handeln. In beiden Fällen haben wir das Gefühl, ein Ziel zu haben, einen
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