Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
von den Stacheln durchlöchertes Mützchen in die Luft warf. »Pirx! Was is’n am Tod so komisch?«
»Am Tod nix, aber du bist komisch!«, krähte Pirx, sprang auf die Hinterfüße, hüpfte abwechselnd auf einem Bein und schlug wirbelnd die Handflächen aneinander. »
Isses der Toood?
«, äffte er übertrieben nach und tippte sich an die Stirn. »Bist du doof!«
»So?«
Pirx erstarrte, als Fanmór seine Aufmerksamkeit auf ihn richtete. »Dann kennst du wohl die Antwort, törichter Pixie?«
»Pirx, spinnst du?«, zischte der Grogoch den kleinen Igel an. Vor Entsetzen fielen ihm einige seiner drahtigen Haare aus. »Was, bei den Wassernymphen der Schwarzberge, tust du da?«
»Uh … äh …«, haspelte Pirx und wand sich ein wenig. Aber er kniff nicht. Forsch fuhr er fort: »Also, klar kenn ich die Antwort, wieso auch nich’? Ich meine, das liegt deutlich auf der Hand!«
»Im Moment«, sagte der Riese, »liegt hier nur einer auf der Hand, und das bist du.«
Ehe Pirx sich’s versah, hatte Fanmór ihn gepackt und hochgehoben. Verdattert hockte er auf der riesigen Schaufelhand und blickte seinen Herrn aus erschrockenen schwarzen Knopfaugen an.
»Dann sprich, mein kleiner Rotmützel«, forderte Fanmór ihn auf. »Und ich hoffe, deine Antwort ist richtig, ansonsten erhält der Wiesel den Punkt, weil ich dich andernfalls nämlich zerquetschen und zu den Schatten nach Annuyn schicken werde.«
Angespannte Stille folgte, in der man nur das Klappern von Pirx’ spitzen kleinen Zähnen hören konnte. »Äh … soll ich wirklich? Ich meine, die Antwort wird Euch nich’ gefallen, o Herr, dessen Anblick eine Banshee das Fürchten lehrt. Ihr wisst schon, das sind diese grässlichen Todesfeen, die so scheußlich schreien und …«
»Pass auf, was du sagst!«, hallte eine schrecklich hohle, eiskalte Stimme von ferne herüber.
»Hu! Garstig! Seht Ihr?«
»Er weiß es nich’, er weiß es nich’«, frohlockte der Wieselelf, tanzte auf und ab und erhielt dafür die nächste Kopfnuss, die ihn vornüber auf die dünne lange Schnauze warf.
Fanmór näherte die Hand seinem Gesicht. »Ich warte.«
Pirx hob abwehrend die Händchen hoch, als würde er sich vor der Verbrennung durch die kohleglimmenden Augen schützen wollen. »Nur wenn Ihr versprecht, dass Ihr mir nix tut, Eure Grusligkeit!«
»Das ist dein einziger Ausweg, Pixie, ich sagte es schon.« Der Herrscher klang nun deutlich ungehalten.
»Also, es is’ so … Was man nich’ sehen kann und nich’ besiegen, was jeden befällt, ohne Ausnahme, was keine Grenzen kennt und unsichtbar is’ und was den Herbst bringt und weiße Strähnen ins Herrscherhaar, das is’ …« Pirx hatte jetzt doch deutlich Angst, es auszusprechen, und seine Stimme sank zu einem leisen Piepsen herab, als er hervorstieß: »Es ist … die Zeit.«
Der Grogoch schloss die Augen und sank in sich zusammen.
Fanmór erstarrte. Pirx schlug die Arme über den Kopf und igelte sich ein. Aber der Riese setzte den kleinen Igel ganz behutsam auf dem Boden ab. »Unschuldiger, weiser kleiner Narr, du«, sagte er in düsterer Trauer.
Nach kurzer lähmender Stille folgte ein Aufschrei, dann brach ein wildes Durcheinander aus.
Die Zeit!
Was für ein Un-Wort, ein Nicht-Wort, ausgesprochen an diesem Ort! Was wagte dieser unbedeutende kleine Pixie, der nur ein paar Lenze zählte?
Natürlich benutzten die Elfen das Wort
Zeit
, in erster Linie, um die Momente auszudrücken, was zwischen Tag und Nacht verging. Es war ein recht modernes Wort, irgendwann von den Menschen aus der fernen Welt draußen übernommen wie so manches andere.
Die Kinder hatten damit angefangen und das Wort trotz strenger Verbote und angedrohter Maulschellen weiter benutzt. Irgendwann benutzten es die Erwachsenen, weil es neutral war und man nicht lange nach Umschreibungen suchen musste. Auch Elfen waren bequem.
Aber in
diesem
Zusammenhang genannt, bedeutete es … nun ja,
Zeit an sich
eben, Vergänglichkeit, wie der Herbst, der Einzug gehalten hatte. Und das war nun gleichermaßen verpönt wie unmöglich. Denn was sollte darauf folgen? Der Winter etwa?
Der Grogoch lauschte dem schwirrenden Wortschwall, der sich beredt von Ast zu Ast schwang und sich mit allerlei Misstönen und Lauten vermischte, hin und her sprang und immer noch mehr Blätter herunterschüttelte. Die Elfen überschrien sich gegenseitig, jeder wusste es besser, und die meisten verlangten die sofortige Bestrafung des vorlauten Bengels, der noch nicht einmal stubenrein
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