Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
Wesen sausten einmal um den Tisch, dann waren Früchte, Blüten und Nektarsaft aufgetragen. Die Heinzelmännchen lösten sich daraufhin scheinbar in Luft auf.
Pirx griff herzhaft zu, den anderen war nicht danach. Stumm warteten sie darauf, dass der Herrscher den Grund ihrer Anwesenheit nennen würde.
»Der Hofstaat befindet sich halbwegs in Auflösung«, begann Fanmór. Er lehnte sich an den Stamm neben dem Fenster. »Alle sind gleichermaßen außer sich und wälzen Gedanken wie schwere Mühlsteine. Keiner weiß, wie er mit dieser Situation fertig werden soll.«
Er schnippte einen Käfer von der Schulter, der es sich gerade gemütlich machen wollte. Schnarrend taumelte das Tier zu Boden und krabbelte hastig in eine Ritze des Stamms. Eine Schwalbe, die das Beutetier auf der Schulter erspäht hatte und mit geöffnetem Schnabel durchs Fenster hereinflog, um es sich zu schnappen, umkreiste den Riesen einmal und drehte enttäuscht mit einem Pfiff ab.
»Ich habe dafür natürlich Verständnis.« Die Stimme des Riesen klang ruhig, aber man merkte ihr die Spannung an. »Trotzdem kann ich diese Disziplinlosigkeit nicht durchgehen lassen. Jetzt muss mehr denn je aufs Protokoll geachtet werden, sonst zerfällt das Reich Crain in wenigen Tagen. Ich lasse meinen Untertanen daher diesen Tag und die Nacht, um sich zu beruhigen. Morgen werde ich einen Erlass herausgeben.«
»Sicher, sonst würden vielleicht alle fliehen wollen«, sagte Dafydd ein wenig kühl. Der Grogoch merkte, dass es dem Prinzen zu ungemütlich am Tisch wurde. Dafydd schob die Schalen von sich und stand auf.
Der Grogoch gab Pirx ein Zeichen und erhob sich ebenfalls; sie durften nicht sitzen bleiben, auch wenn noch jemand von der königlichen Familie am Tisch blieb. Glücklicherweise war Pirx folgsam, ohne zu zögern oder nachzuhaken.
Rhiannon verharrte unschlüssig, dann gesellte sie sich zu ihrem Bruder. »Vielen Dank für diese höfliche Einladung, Vater, aber wir sollten zum Punkt kommen. Wollt Ihr diesen Erlass mit uns absprechen, oder weshalb sind wir hier?«
»Unter anderem. Ich wollte auch, dass ihr etwas zu euch nehmt, denn ihr braucht eure Kräfte.«
»Danke für Eure Besorgnis, aber im Augenblick … ist uns wirklich nicht danach.«
»Gut. Kommen wir zu einer wichtigen Sache.« Fanmórs tief liegende dunkle Augen richteten sich auf den Grogoch und Pirx. »Bist du verantwortlich für diesen vorlauten Pixie?«, fragte er den alten Kobold.
Pirx’ aufgeplusterte Stacheln schrumpften ein wenig ein, und er versuchte, sich hinter dem Grogoch zu verstecken. Der Kleine nahm seine rote Mütze ab und knetete sie zwischen den Händen.
»Ja, Gebieter«, antwortete der Grogoch ehrerbietig.
»Was ist deine genaue Aufgabe hier am Hof, Pixie?«, richtete Fanmór seine Aufmerksamkeit auf Pirx.
»Oh, ich, äh, ich …« Der kleine Igel wand sich, und man sah ihm an, dass er fieberhaft überlegte. Der Grogoch wollte bereits helfend einspringen, als er herausplatzte: »Ich assistiere Grog, Gebieter!« Seine Mundwinkel gingen in die Höhe. »Er ist ja schon ein etwas älterer Herr und nicht mehr ganz so schnell wie früher, und da erledige ich Botengänge und Hausarbeiten und alles, was er mir aufträgt!«
Der Grogoch seufzte in Gedanken, musste aber anerkennen, dass Pirx das Beste gemacht hatte.
»Ich muss wegen der offiziellen Beschwerden ein Urteil fällen«, sagte Fanmór. »Es ist eine ernste Sache, weil der Pixie keinen Rang hat.«
»Aber Ihr habt mich doch … hmpf …«, begann Pirx protestierend.
Der Grogoch hielt ihm schnell die große haarige Hand vor die Schnauze. »Selbstverständlich, Herr. Er hat ungefragt gesprochen, das kann man nicht einfach auf sich beruhen lassen.«
»Und der Wie…«, setzte Pirx erneut mit dumpfem Klang an, doch diesmal machte der Grogoch Ernst, entriss ihm die Mütze und stopfte ihm das Maul damit.
»Nun, sein Rang war bisher eben nicht genau verzeichnet, das ist eine verzeihliche Nachlässigkeit«, bemerkte Rhiannon. »Pirx ist zudem unser Spielgefährte gewesen, als wir noch klein waren. Er war damals ebenfalls noch fast ein Kind, aber bereits am Hof. Er ist nur nicht im Baumschloss geboren.«
Der Herrscher schien sich damit für den Augenblick zufriedenzugeben, aber Pirx war aus seinem Blick noch lange nicht entlassen. »Woher weißt du solche Dinge, etwa über die Zeit?«
Darauf wusste Pirx diesmal keine Antwort. Er zog die zerknitterte Mütze aus dem Mund. Mit großen Knopfaugen und offenem Mäulchen, aus
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