Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
optimistischen Gesichtsausdruck. »Er liegt mittlerweile im Koma, und keiner weiß, warum. Organisch fehlt ihm überhaupt nichts. Genau wie Charles gesagt hat: keine Drogen, kein Alkohol, nicht einmal Zigaretten oder Schnapspralinen. Sébastien ist kerngesund. Auch seine Hirnströme sind da. Nur er selbst ist es irgendwie nicht mehr.«
Nadja war beunruhigt. »Ob das mit dem … Gesicht im Spiegel zusammenhängt?« Erneut sah sie, wie Robert zusammenzuckte. Nun sprach sie ihn darauf an: »Du hast also auch etwas gesehen?«
Für einen Moment schien der Fotograf ausweichen zu wollen, blickte zum Kaffeeautomaten, nestelte unwillkürlich nach den Zigaretten, doch dann gab er nach. »Du hast
auch
gesagt. Also du zuerst.«
»Also schön.« Nadja ging auf die verkrüppelte Palme beim Fenster zu, wo sie Rian am Abend gesehen hatte. Die wartenden Patienten kümmerten sich nicht um die Journalistin. Nacheinander wurden die Kranken von bleichen, müde wirkenden Assistenzärzten zur Untersuchung geholt. »Als wir in Sébastiens Garderobe wollten, konnte ich einen Blick in den Spiegel werfen. Und ich habe darin glühende Augen gesehen. Ich weiß nicht, ob das Gesicht männlich oder weiblich war, es war sehr verschwommen. Absolut gruslig.«
»Denkst du, das Ding im Spiegel hat dich entdeckt?«, fragte Robert.
Nadja erschauerte, als sie kurz über die Frage nachdachte. »Ich will es nicht hoffen. Vorausgesetzt, es war keine Einbildung.«
»Nadja«, sagte Robert langsam, »hören wir auf damit. Wir bilden uns nichts ein. Du selbst hast gesagt, dass wir eine Schwelle überschritten haben, die aus der Normalwelt führt. Und nun wissen wir, dass es eine Welt daneben gibt, eine andere, fremde Welt. Wesen leben unter uns, die keine Menschen sind.«
»Aber wie ist das möglich?«, flüsterte sie. Die Journalistin schaute sich um, als sei sie eine Verschwörerin mitten in einem geheimen Treffen.
»Vielleicht war es schon immer so. Vielleicht sind die Grenzen durchlässiger geworden. Zumindest hat sich unsere Wahrnehmung verändert.«
»Nun gut. Dann sag du mir mal, was du in Sébastiens Badezimmer wahrgenommen hast.«
Robert wich ihrem Blick aus. »Ich kann dir nicht sagen, was ich gesehen habe«, murmelte er. »In meinem Leben fehlen fünf Minuten, von denen ich nicht weiß, was mit mir passiert ist. Kann sein, dass ich einfach nur ohnmächtig war, aber das glaube ich nicht.«
Nadja packte ihn vorn an der Jacke und trat ganz dicht an ihn heran. »Raus damit!«
»Bitte!«, flehte er gequält.
Aber sie ließ nicht locker, zwang ihn in ihren Blick.
Endlich gab Robert nach und offenbarte: »Ich bin nicht sicher … ich glaube, es war eine Frau. Eine überirdisch schöne Frau, keinesfalls menschlich. Sie sah mich an … und dann passierte etwas mit mir. Und ich weiß, ich will sie wiedersehen …«
»Dachte ich es mir doch.«
»Und ich wusste, dass du das sagen würdest. Nadja, keine …«
»… Gardinenpredigt? Doch, Robert! Ich weiß, wie empfänglich du für diese Dinge bist. Und dass du immer noch von Todessehnsüchten heimgesucht wirst, zumindest ab und zu. Du solltest in nächster Zeit Spiegel meiden. Was immer Boy X auch passiert sein mag, dir droht dasselbe Schicksal, wenn du ihrer Verlockung nachgibst. Diese Frau ist keine Muse, sondern etwas anderes, Tödliches, was den Jungen voll im Griff hat. Ich werde nicht zulassen, dass sie dich auch kriegt.«
Nadja redete eindringlich auf ihn ein, hielt ihn mit beiden Händen an der Jacke fest. »Solange wir nicht wissen, womit wir es zu tun haben, musst du deine Neugier und erst recht deine Sehnsucht im Zaum halten!« Sie ließ ihren Freund los und glättete seine Jacke. »Hast du Fotos gemacht?«
»Nun …«
»
Hast
du?«
Robert war geknickt. »Du kennst mich einfach zu gut. Ja, hab ich. Während der verlorenen fünf Minuten. Ich habe mich noch nicht getraut, sie anzusehen.«
»Dann lass es auch bleiben«, riet sie. »Wenn, dann machen wir das gemeinsam.« Nadja wandte sich ab. »Ich hoffe nur, ich erwische bald Rian Bonet und sie kann die Sache aufklären. Das Bizarre daran ist – das Model hat mich wiedererkannt.«
Robert, der nervös in seinen Taschen herumfingerte, stutzte. »Wie das?«
»Ich weiß nicht, für wen sie mich hält, aber sie erkannte mich.« Dann schnippte sie mit dem Finger. »Der Igel! Er hat direkt in die Kamera geblickt und gewinkt. Er hat uns gesehen, und vielleicht hat er Rian davon erzählt.«
»Es waren viele Fotografen da, Nadja.«
»Aber
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