Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
von etwas zu machen, was gar keine Bedeutung hat. Ob mit oder ohne Uhr wird es Tag oder Nacht, Frühling oder Herbst.«
»Es ist eine Organisation der Gesellschaftsform …«, fing Nadja an.
David winkte ab. »Verschon uns mit deinen geistreichen menschlichen Sprüchen, die stehen mir bis hier!« Er hielt die Hand an die Stirn. »
Alles
steht mir bis hier, eure ganze kleingeistige Welt. Ich weiß nicht, wieso Rian dich hergebracht hat, und es interessiert mich nicht im Geringsten. Ich hoffe, du bist weg, wenn ich zurückkomme.« Er erhob sich schwerfällig, und Nadja sah, dass er um eine halbe Handspanne größer als Robert sein musste, sicherlich um die eins neunzig.
David griff nach einem Magazin und stapfte auf den Gang hinaus. »Mir ist schlecht«, verkündete er in einem Tonfall, als ginge es um eine bedeutende wissenschaftliche Entdeckung. »Ich geh jetzt kotzen. Stört mich also nicht.«
Damit verschwand er. Rian hob die Schultern. »Tut mir leid«, sagte sie. »Gastfreundschaft nimmt bei uns Elfen normalerweise einen sehr hohen Stellenwert ein. Aber David hat einen schlimmen Kater. Den hat er jeden Morgen. Er leidet entsetzlich unter Heimweh und ist todunglücklich in eurer Welt.«
»Gastfreundschaft!« Der Grogoch fuhr zusammen und wandte sich schuldbewusst an Nadja. »Kann ich dir etwas anbieten? Einen Fruchtsaft vielleicht?«
Nadja hatte keinen Durst, aber sie wollte nicht unhöflich sein. »Ja, danke. Aber es hat Zeit, beende zuerst deine Arbeit.«
»Bin schon fertig.« Grog stand auf, und Nadja konnte keine Spur des Schattens mehr an Rian sehen. Vielmehr sah sie keinen unförmigen Sack mehr: Die Sonne warf durch das rechte Fenster einen ganz normalen Schatten der Elfe auf die linke Sessellehne – wie es sich gehörte.
Faszinierend
, fand Nadja,
ein ungewöhnlicher Weg, sich anzupassen
. Grog und Pirx brauchten keine künstlichen Schatten, weil sie für normale Menschen ohnehin unsichtbar waren.
Nadja erinnerte sich daran, wie Rian ihrem Schatten ausgewichen war, um nicht darauf zu treten. »Was ist das für eine Sache mit den Schatten?«, fragte sie. »Warum wolltest du nicht auf meinen treten?«
»Es gibt so etwas nicht bei uns«, antwortete Rian. »Denn … wenn wir sterben, manifestieren sich unsere Schatten in Annuyn, dem Totenreich. Dort leben wir weiter – eben als Schatten. Aus diesem Grund wäre es unhöflich, über deinen Schatten zu gehen. Wenn ich kann, vermeide ich es.«
»Wir spüren das nicht. Du berührst den Boden doch sowieso nicht.«
»Das hast du bemerkt? Aber ja, natürlich. Nun, mag sein. Aber Schatten bedeuten bei uns etwas anderes.«
Nadja gruselte es bei dem Gedanken daran, nach dem Tode als Schatten in einem Totenreich zu erwachen. Wie sollte sie es sich überhaupt vorstellen, ein Schatten zu sein? »Und so bleibt ihr dann für immer und ewig?«
»Bis wir uns vergessen haben, ja.«
»Fürchtet ihr euch nicht davor?«
»Aber nein. Wir fürchten nur ein einziges Reich: das
Schattenland
.«
Nadja merkte, wie alle drei Elfen erschauerten. »Wie sieht es dort aus?«
»Das weiß keiner von uns«, sagte Pirx. »Dorthin kommen die Verbannten. Es ist die höchste aller Strafen, denn es gibt kein Zurück von dort. Nie mehr.«
»Also praktisch wie eine Todesstrafe.«
»Viel, viel schlimmer, Nadja. Als Schatten in Annuyn kann man existieren. Und hochrangige Elfen können unter bestimmten Voraussetzungen wieder ins Leben zurückkehren. Aber
dort
endet alles.«
Grog brachte Nadja den Saft. Dankend nahm sie das Glas in Empfang. Behutsam nippte sie. »Seid ihr aus diesem Grund hier?«, fragte sie. »Hat es etwas mit dem Schattenland zu tun?«
Rian gab sich unschuldig. »Wie kommst du darauf, dass unser Hiersein einen Grund hat?«
»Komm schon!« Nadja lachte trocken. »Ich bin Journalistin. Ihr habt etwas mit Boy X zu tun, und wenn dein Bruder Heimweh hat, ist er offensichtlich nicht freiwillig hier und kann nicht wieder zurück. Ihr müsst also etwas erledigen.« Sie lehnte sich im Sessel zurück. »Ich habe Zeit. Fangt an.«
Die drei Elfen sahen sich an. Dann seufzte der Grogoch tief. »Also schön. Das ist unsere Geschichte …«
So erfuhr Nadja vom Herbst in Crain, der David geweckt hatte …
Und sofort hatte sie die erste Frage: »Ihr habt euch schlafen gelegt? Warum?«
»Wegen der Verdunkelung der Sonne«, antwortete Grog. »Fanmór, unser Herrscher, befürchtete, dass wir unserer Kräfte beraubt würden, wenn wir es bei Bewusstsein miterlebten.«
Nadja
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