Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt - Schartz, S: Elfenzeit 1: Der Hauch der Anderswelt
ist ganz einfach, Nadja von den Menschen«, fuhr David fort. »Wir Elfen sind unsterblich. Das bedeutet, wir müssen gewaltsam zu Tode kommen, anders ist es nicht möglich. Natürlich kennen wir keine Krankheiten, wenngleich das Alter. Und jetzt denk mal nach.« Er holte eine andere Chipstüte und verzehrte geräuschvoll den Inhalt, mit einem bösartigen Grinsen. »Wenn wir sterblich geworden sind, ist unser Leben begrenzt, und egal was wir tun, wir können dem Tod nicht entkommen. Aber unsere Schatten wissen es nicht, wenn wir sterben. Wir können uns nicht auf sie übertragen wie im Augenblick des gewaltsamen Todes, der abrupt ist und uns mitten aus dem Leben holt, während wir voller Kraft sind. Annuyn ist ein anderes Elfenreich und der gewaltsame Tod der Übergang dorthin, um die Grenze zu überschreiten. Samhain, der Herr November, der Graue Mann, der dort herrscht, nimmt uns auf und gibt uns Unterkunft. Es ist eine andere Art der Existenzform.
Das Sterben aber ist schleichend, es beraubt uns unserer Kräfte, unserer Macht, und so werden wir einfach vergehen, weil nichts von uns übrig bleibt am Ende. Wir lösen uns auf und sind fort, für immer, ohne Erinnerung.«
»Aber warum?«, flüsterte Nadja. Davids Worte hatten sie mehr getroffen, als ihr lieb war.
»Wir haben keine Seele«, antwortete David.
Nadja stockte für einen Moment der Atem.
Der Elf deutete auf sie. »Wir sind anders als ihr. Unsterbliche brauchen keine Seele, denn wir bestehen ewig und sind kaum einer Veränderung unterworfen. Außer, wenn wir entschieden haben zu altern, um uns zu wandeln.« Er stand auf und ging zum Barschrank. »Wir werden irgendwann nur noch ein Märchen in euren Bücherregalen sein – Geschichten, die niemals wahr sein werden.« Er holte eine Flasche Single Malt aus dem Fach, entkorkte sie, setzte sie an die Lippen und schluckte hörbar.
Nadja konnte nicht sitzen bleiben. Sie sprang auf, ging mit schnellen Schritten zu David und riss ihm die Flasche aus der Hand. Überrascht sah er sie an.
»Hör auf damit!«, zischte sie ihn heiser an. »Denkst du, das ist eine Lösung? Das bringt dich nur schneller ins Grab, und noch dazu auf völlig sinnlose Weise!« Etwas Ähnliches hatte sie auch einmal zu Robert gesagt, während dieser eine seiner depressiven Phasen durchlebt hatte.
Schweigend wandte David sich ab und kehrte auf seinen Platz zurück.
Nadja knallte die Flasche ins Fach und drückte den Korken in den Hals. »Das ist eine völlig abgedrehte Geschichte!«, rief sie. »Und ihr seid unterwegs, um den Quell der Unsterblichkeit zu finden? Ausgerechnet bei uns?«
»Wo denn sonst?«, gab Pirx zurück. »Außerdem ist das hier der einzige Ort, wo wir noch hinkönnen. Und wie du sagst: Sinnlos wollen wir die Zeit, die uns bleibt, nicht herumbringen!«
Nadja bewegte langsam die Hände auf und ab. »Na schön, dann will ich eigentlich nur zwei Dinge wissen. Erstens: Wieso kann ich euch sehen? Euch als Elfen erkennen?«
»Anscheinend bist du ein Grenzgänger«, antwortete Grog. »So was kommt vor, das gab es früher bereits. Manchmal blieben die Menschen dann im Elfenreich. Dein Freund Robert ist ebenso einer. Es war kein besonders glücklicher Umstand, dass Rian genau auf der Modenschau zu tun hatte, wo ihr wart. Aber auch das kommt vor.«
»In Ordnung. Dann habe ich noch mal eine Frage: Was habt ihr mit Boy X zu tun? Und warum ist Pirx so erschrocken, als wir über sein letztes Wort gesprochen haben? – Warum Pirx uns überhaupt verfolgt hat, will ich an dieser Stelle gar nicht wissen. – Mir geht es um den Jungen, der im Koma liegt.«
Rian sah Pirx an. »Was hast du mir verschwiegen?«
»Nichts …«, brummelte er.
Aber Nadja fiel ihm in den Rücken. »Er hat ein Wort gerufen, das ich nicht richtig verstanden habe. Aber es klang wie ein Name, eine Ergänzung zu der Silbe
Ban
, die Boy X von sich gab, bevor er ins Koma fiel.«
»Bandorchu!«, riefen Rian, Grog und David wie aus einem Mund.
»Genau, das war der Name«, bestätigte Nadja. »Was hat es damit auf sich? Ist das auch eine von euch? Das Gesicht im Spiegel?«
»Wo… wovon sprichst du?«, stammelte Rian.
Nadja winkte ab. »Das spielt jetzt keine Rolle. Wer oder was ist Bandorchu?«
»Bandorchu ist die Dunkle Frau«, eröffnete Grog. »Früher war sie Gwynbaen, die Weiße Frau. Sie war Königin des Baums Crain, bis sie Herrscherin von ganz Earrach werden wollte und Fanmór den Krieg erklärte.« Der Kobold wiegte den Kopf. »Sie verlor und wurde
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