Elfenzeit 11: Merlins Erwachen - Hartmann, C: Elfenzeit 11: Merlins Erwachen
vor Zorn wich sie ein Stück zurück. »Das glaube ich Euch erst, wenn ich seine Leiche sehe!«, sagte sie fest.
Jean lächelte. »Natürlich. Ich hätte wissen müssen, dass ich eine Prinzessin wie Euch nicht einfach überlisten kann. Schließlich bin ich ja nur ein einfacher Wundarzt.« Er winkte Rian in Richtung Zeltausgang. »Kommt mit! Den Herzog verlangt danach, Euch zu sehen.« Nun nickte er den Soldaten zu, packte Rian am Arm und zerrte sie hinaus ins Freie.
Alle vier Soldaten folgten ihm, die Hände kampfbereit an den Waffen.
Rian biss die Zähne zusammen. Sie hatte keine Ahnung, wie David es geschafft hatte, zu entkommen. Aber es war ihm gelungen – ganz gleich, welche Lügen Jean ihr auftischen wollte. Wie es im Moment aussah, würde sie es ihrem Bruder ohnehin nicht nachmachen können.
Herzog Wilhelm lag in seinem Zelt auf einem Lager aus Fellen und Seidendecken. Sein Gesicht sah Furcht einflößend aus: schneeweiß mit einer Handvoll brom-beerroter Flecken, die die Haut in regelmäßigen Abständen überzogen. Seine Iris schien kaum noch vorhanden, so geweitet waren seine Pupillen, und sein Atem ging hastig und stoßweise.
Er schien bei Bewusstsein und auch bei Verstand zu sein, denn er wandte den Kopf, als Jean die Elfin hereingeleitete.
Ein leichtes Lächeln teilte sogar seine trockenen Lippen. »Prinzessin!«, flüsterte er mit heiserer Stimme.
Jean beugte sich über ihn und zog ihm mit einer liebevollen Geste die Decke dichter unter das Kinn. »Sie ist hier, um den Fluch von Euch zu nehmen«, sagte er.
Wilhelm schloss die Augen. Seine Lider waren dunkelrot. »Gut.«
Daraufhin wandte sich Jean zu den Soldaten um, die sie hergeleitet hatten. »Ihr könnt jetzt gehen.«
Fragend runzelten die Männer die Stirn, gehorchten allerdings ohne ein Wort. Nachdem sie fort waren, sah Jean Wilhelms persönliche Leibwache an: zwei Hünen, größer noch als Malik und bis an die Zähne bewaffnet. Stumm und hoch aufgerichtet standen sie rechts und links vom Zelteingang.
»Ihr ebenfalls«, sagte Jean zu ihnen.
»Aber …«, wollte der eine von ihnen widersprechen.
Jean brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Ich werde den Herzog untersuchen, und dazu muss ich ihn ausziehen. Nackt ausziehen. Ich bin sicher, er würde nicht wollen, dass ihr das zu Gesicht bekommt.«
Wilhelm öffnete die Augen, und der Leibwächter schaute unsicher von Jean zu seinem Herrn.
Dann blieb sein Blick an Rian hängen. »Und die Hexe?«
»Mit ihr werde ich fertig, keine Angst! Schließlich ist sie nur eine Frau.«
»Aber was ist, wenn sie Euch verhext?«
Jean sah den Leibwächter mitleidig an. »Dann könntet ihr mir auch nicht helfen. Aber seid unbesorgt. Solange wir ihren Bruder in der Gewalt haben, wird sie zahm sein wie ein Lämmchen.«
Rian versuchte, aus den Worten des herzoglichen Leibarztes schlau zu werden. Eben hatte er noch behauptet, David sei von den Spürhunden zerrissen worden. Nun allerdings tönte er, er befinde sich wieder in der Gewalt der Soldaten.
Sie hatte keine Ahnung, was davon stimmen mochte, und so entschied sie, dass es das Beste war, fürs Erste davon auszugehen, dass David lebte und frei war. Alles andere würde sie zu sehr davon ablenken, ihr eigenes Leben zu retten.
Und das von Merlin. Ihr Blick wanderte zu dem schlafenden Zauberer, der nach wie vor dicht neben Wilhelms Lager auf seiner Pritsche lag und tief schlummerte.
Erwacht!
, dachte sie verzweifelt.
Helft uns!
Nichts geschah. Merlin rührte keinen Muskel.
Noch immer focht der Leibwächter einen stummen Kampf mit Jean aus. Schließlich nickte er ergeben. »Wenn Ihr es wünscht«, murmelte er, gab seinem Gefährten einen Wink und verschwand.
Rian blieb mit Jean, dem fiebernden Herzog und dem schlafenden Merlin allein zurück.
»Was, wenn ich Euch überwältigen könnte?«, fragte sie. »Ihr seid kein besonders kräftiger Mann, und am Hof meines Vaters wurde ich im Kampf ausgebildet.«
Jean lächelte nur. »Seht Ihr, Monseigneur? Dieses Weib ist eine gefährliche Frau.«
Wilhelm nickte. »Ich weiß. Trotzdem bin ich nach wie vor der Ansicht, dass nicht sie die Schuld an meinem Zustand trägt.«
Wieder beugte sich Jean über ihn. »Nicht, Monseigneur? Wen haltet Ihr dann für schuldig?«
Wilhelms Blick richtete sich auf ihn. Er antwortete nicht, sondern leckte sich über die trockenen Lippen.
»Ihr seid durstig!«, rief Jean aus. »Das ist ein Symptom Eurer Krankheit. Trinkt!« Er griff nach einem Becher, der am Kopfende
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