Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
erscheint mir nicht einmal unlogisch, denn als Held genießt Ihr einen besonderen Vertrauensstatus und kommt nahe an den König heran. Und ist Regiatus, einer von Fanmórs bevorzugten Beratern, nicht Euer Bruder?«
»Aber warum sollte ich das tun?«, rief Ainfar außer sich. »Ich stehe meinem Bruder sehr nahe, und was ich getan habe … Ich hätte niemals die grausame Verbannung auf mich genommen, wenn ich nun den schrecklichsten Verrat begehe!«
»Das Warum vermag ich Euch nicht zu sagen«, entgegnete Gofannon. »Ich sehe nur das Wie. Und es gibt gar keinen Zweifel, dass Ihr es seid, der diese abscheuliche Tat vollbringt. Darin irren wir Mondelfen uns nie. Ich habe Euch deutlich gesehen. Und ich wusste, wohin ich gehen musste, wo ich Euch finde.«
Ainfar drehte sich heftig um. »Ich muss es verhindern«, sagte er entschlossen. »Jetzt sofort. Ich gehe zu Fanmór und sage ihm alles. Ich unterwerfe mich seiner Weisheit; er wird wissen, was zu tun ist.«
»Gar keine schlechte Idee«, bemerkte Gofannon. »Einer von uns wird zu Fanmór gehen und ihn warnen.«
Ainfar sah ihn verwundert an. »Einer … von uns?«
Gofannon zeigte ein hässliches Lächeln. Dann ließ er die Maske fallen.
Ainfar stieß einen Schrei aus. »Ich erkenne dich! Du bist Gofannon!«
»Ganz recht«, sagte der Gott, nun in seiner natürlichen und wenig ansehnlichen, dicklichen Gestalt. Bevor der Tiermann sich rühren konnte, warf er eine tyrrhenische Assassinen-Würgeschlinge über ihn, die sich augenblicklich um Ainfars Hals legte und sich zuzog.
Der Tiermann gab einen erstickten Laut von sich, griff sich an den Hals und versuchte, die Finger unter die Schlinge zu schieben. Doch sie war zu dünn und wich zudem seinem Zugriff aus.
Gofannon lachte, zog mit einem Ruck an der Schlinge, sodass sein Opfer in die Knie ging. Dann verwandelte er den Augurenstab in ein scharfes Holzschwert und rammte es Ainfar mit göttlicher Kraft in den Bauch.
Die Augen quollen dem Tiermann aus den Höhlen, sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz und Furcht, und er fiel keuchend auf den Rücken, die Hände auf die blutende Bauchwunde gepresst.
Der Gott weidete sich an seinen Qualen. Wirklich, so gut hatte er sich schon lange nicht mehr gefühlt!
»Warum?«, krächzte Ainfar mit versiegender Stimme.
»Hast du etwa wirklich geglaubt, der Getreue nimmt deinen Verrat ungestraft hin? Er hat mich geschickt, dich zu töten.« Gofannon kniete neben ihm nieder. »Und Fanmór.«
Ainfars dunkle Augen flackerten. »Ich komme zurück«, hauchte er, »und werde mich rächen.«
»Bis dir das gelingt, ist längst alles vorüber.« Der dickliche alte Gott kicherte. »Wenn überhaupt. Ich habe gehört, dass heutzutage die wenigsten, deren Schatten in Annuyn erwachen, sich an ihr Leben erinnern. Ich denke, du wirst bis ans Ende aller Zeit dort umherirren. Aber sorge dich nicht um Eledula … Ich werde mich gerne um sie kümmern.«
Ein Zittern durchlief den Tiermann, mehrmals versuchte er vergeblich, die Gestalt zu wechseln. »Ich verfl…«, setzte er an, doch Gofannon zwang seine Lippen mit einer Fingerbewegung aufeinander.
»Ja, so stirbst du ehrlos, durch einen heimtückischen Anschlag, und Fanmór wird es nicht anders ergehen. Samhain wird euch gar nicht erst anhören, selbst wenn ihr euch erinnern solltet. Das erfüllt mich mit Freude. In der Tat, ich bin dir dankbar, närrischer Elf. Und deswegen werde ich dir jetzt auch einen schnellen Tod gewähren, was sonst nicht meine Art ist.«
In Ainfars Augen lagen Schmerz und Trauer. Jedoch keine Furcht und auch kein Hass. Fast war es … Vergebung?
Für einen Moment war Gofannon unangenehm davon berührt. Dann schärfte er die Schneide der Holzwaffe mit seiner Zunge und schnitt dem Tiermann die Kehle durch.
4 Isländischer Geburtstag
Nadja nahm ein langes Bad, putzte sich ausgiebig die Zähne und benutzte die gesamte Kosmetik, die Jónína ihr mitgebracht hatte. So war es schließlich gedacht, und sie wollte die junge Frau nicht vor den Kopf stoßen. Sie würde für alles aufkommen, sobald sie die Möglichkeit dazu hatte, also brauchte sie auch kein schlechtes Gewissen zu haben. Sie nutzte niemanden aus.
Während des Bades dachte sie darüber nach, wie sie nun vorgehen sollte. Als einzige zuverlässige Anlaufstelle fiel ihr Tom ein, der in München war und sich um ihre Wohnung kümmerte. Da sie seine Nummer nicht auswendig wusste, rief sie am besten ihren Anrufbeantworter an und hinterließ Ingolfirs Nummer, um alles
Weitere Kostenlose Bücher