Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
Weitere zu besprechen. Beispielsweise wie sie am schnellsten an Geld und Ausweis kam, um nach Hause zu fliegen.
Warum nur war sie in Island gestrandet? Es ging ihr immer noch nicht in den Sinn. Aber es war müßig, sich den Kopf darüber zu zerbrechen; da sie nun wieder bei sich war und sich wie ein Mensch fühlte, konnte sie auch den Heimweg planen – auf die gute, bewährte, menschliche Weise. So schlimm war alles gar nicht, Island war immer noch Europa, und es gab Flugzeuge in die Heimat.
Alles halb so wild
.
Tom konnte ihr sicher sagen, wo David und die anderen waren. Vermutlich hatten sie schon die halbe Welt nach ihr abgesucht. Eine Beruhigung war dabei, dass sich das Cairdeas an ihrem Handgelenk warm und entspannt anfühlte, also ging es David gut. Dass er und Rian in Bandorchus Gefangenschaft waren, konnte Nadja nicht glauben, wenngleich es bei ihrer Entführung durch den Getreuen so ausgesehen hatte. Noch war die Menschenwelt nicht verändert, also hatte Bandorchu in Newgrange wohl nicht gewonnen. Und selbst wenn sie die Zwillinge als Geiseln hatte, durfte sie ihnen nichts antun, solange sie Fanmór gegenüber einen Vorteil erringen wollte.
Und falls es so ist, haue ich sie raus
, dachte sie grimmig.
Ich habe David in Venedig befreit und Rian aus Annuyn geholt, da komme ich auch gegen dieses blonde Miststück an!
Sie begriff es immer noch nicht: Warum hatte der Getreue seine Königin verraten und Nadja nach Jangala gebracht? Ausgerechnet nach Indien? Und sich dann nicht mehr gemeldet?
Es wurde alles immer seltsamer.
Nadja hielt durch, bis sie die Sachen angezogen hatte, die ausgesprochen gut passten. Damit war sie dem Klima angemessen ausgestattet und trat vor allem nicht mehr als zerlumpte Bettlerin auf, was sie am meisten beschämt hatte. Ihr Selbstbewusstsein kehrte zurück.
Aber auch alle Gefühle. Während sie auf der Bettkante saß und dabei war, die Schuhe zuzuschnüren, merkte sie, dass Tropfen auf ihre Hände fielen – erst einer, dann immer mehr. Erschrocken hielt sie inne.
Was ist das?
, dachte sie panisch und richtete sich auf. Sie wischte hektisch über ihre Wangen und erkannte, dass sie weinte.
Die junge Frau ließ es einfach laufen, ließ alles aus sich heraus, alle Anspannung und Sorgen der vergangenen Zeit.
Vor einem Jahr hatte das aufregende Abenteuer begonnen, das Nadjas Leben komplett auf den Kopf gestellt hatte. Ihren sechsundzwanzigsten Geburtstag hatte sie in Indien versäumt. Ihren Job und ihre Freunde konnte sie vermutlich inzwischen abschreiben, bis auf Tom. War sie überhaupt noch Teil der Menschenwelt? Schon als Kind hatte sie als »seltsam« gegolten und immer versucht, so »normal« wie alle anderen zu sein. Nun wusste sie, dass sie es nie gewesen war. Aber das machte alles nur noch schwieriger. Weder gehörte sie ganz zur Elfenwelt noch ganz zur Menschenwelt.
Wie stellte sie sich die Zukunft vor?
Seit Juni hatte sie keine Nachricht von David. Egal, was sie sich anderes einreden mochte, sie vermisste ihn schmerzlich, hatte Angst um ihn und wollte ihn bei sich haben. Gerade weil so viel zwischen ihnen stand. Kurz vor dem Kampf in Newgrange hatten sie einen schrecklichen Streit gehabt, an dem ihre Beziehung beinahe zerbrochen war.
Ihre Bindung war ständig bis zum Zerreißen gespannt, denn obwohl in David eine Seele heranwuchs, trennte sie beide sehr viel. Sie hatten kaum Zeit gehabt, sich kennenzulernen, und wie Mann und Frau hatten sie überhaupt noch nicht zusammengelebt. Was wussten sie schon voneinander? Ob sie überhaupt in der Lage waren, wie ein Paar – wie eine Familie nunmehr – zusammenzuleben? Gewiss, sie liebten sich. Diesbezüglich war sich Nadja über ihre Gefühle völlig im Klaren. David war der Mann ihres Lebens, den sie immer lieben würde, egal was geschah. Und sie wusste auch, dass er sie liebte: Einen größeren Beweis als die Seele, die in ihm entstand, konnte es dafür nicht geben. Aber das genügte nicht, um das ganze Leben miteinander zu verbringen. Dazu gehörte sehr viel mehr.
Ein Jahr war vergangen, in dem Nadja ständig unter starkem emotionalem Druck gestanden hatte. Es hatte viel Spaß gegeben, phantastische Abenteuer und eine große Portion Glückseligkeit. Aber auch Gefahren, Kampf und Leid – und die Dinge standen schlimmer denn je.
Gab es überhaupt eine Zukunft? Seit dem Setzen des Stabs am Ätna war dies fraglicher als jemals zuvor.
Jónína streckte den Kopf zur Tür herein, die nur angelehnt gewesen war. »Hallo, Nadja,
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