Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
Rest sowieso.
»Sunna«, klärte Jónína Nadja auf, »ist eine Kusine um vier oder fünf Ecken und schon seit Jahren hinter Papa her. Sie ist eine Nervensäge, sag ich dir, und die größte Tratschtante der ganzen Insel. Dein guter Ruf ist hin.«
»Wenn es deinem Vater nichts ausmacht …«
»Um Himmels willen, ich sagte dir doch schon, du könntest ihm keine größere Freude machen! Er liebt Schabernack. Wundere dich nicht, falls er dich als Geliebte aus dem Feenreich vorstellt.«
Nadja lachte und fing an, sich zu entspannen. Der Kummer war gebannt; die Ruhepause tat ihr gut, und ein wenig Erholung und Ablenkung konnten wahrhaftig nicht schaden. Im Augenblick blieb ihr ohnehin nichts zu tun. Sie würde einfach einmal Spaß haben, schließlich wollte sie ihre reizenden Gastgeber nicht vor den Kopf stoßen, indem sie wie eine Heulsuse herumsaß und sich im Selbstmitleid ertränkte. Es war ohnehin nicht Nadjas Art, Trübsal zu blasen, wenn sich die Dinge nicht ändern ließen.
Vor allem die Aussicht auf Essen begeisterte sie. Davon brauchte sie eine ganze Menge.
Der Reihe nach trafen Jung und Alt ein. Die Scheune füllte sich rasch, draußen im Hof parkten alle möglichen geländetauglichen Autos in mehr oder minder gutem Zustand durcheinander. Jeder brachte etwas zu essen oder trinken mit, und das von allen gemeinsam gestiftete Bierfass wurde unter großem Getöse angezapft.
Nadja schwirrte bald der Kopf von den vielen Namen, doch sie fühlte sich wohl in der Gesellschaft dieser Menschen und spürte, wie ihre Lebensgeister und Kräfte zurückkehrten.
Die Isländer starrten unverhohlen neugierig zu ihr, vor allem auf ihren Bauch, und redeten sie ungeniert an – auf Isländisch, Dänisch, Englisch und ein wenig Deutsch, manchmal auch in einem Kauderwelsch aus allem. Sie wollten alles ganz genau wissen, und schon nach kurzer Zeit kursierten die haarsträubendsten Geschichten über die Deutsche.
Kusine Sunna, eine stämmige, ebenfalls groß gewachsene Frau – das schien in der Familie zu liegen – saugte die Informationen und Märchen wie ein Schwamm auf und würde sich vermutlich ein eigenes Gerücht daraus zaubern, das sie exklusiv verbreiten konnte. Nadja fand sie nicht einmal unsympathisch, denn sie verbreitete gute Stimmung und konnte lebendig erzählen, aber sie war ein wenig laut und eben sehr vorwitzig. Es war auch nicht zu übersehen, dass sie ein Auge auf Ingolfir geworfen hatte, der auf rührend komische Weise versuchte, ihr auszuweichen.
Endlich war das Buffet fertig aufgebaut, und die Tische bogen sich geradezu unter den Lasten. Sigriður Heida Sigurðsdóttir, eine rüstige kleine, rundliche Mittsiebzigerin, die nur ein paar Brocken Englisch konnte, packte Nadja, hakte sich bei ihr unter und führte sie zum Festessen. Mit einem Redeschwall erklärte sie Nadja, was sich alles auf den Tischen befand, jedoch verstand die junge Frau kein Wort, bis Jón Arnarson, ein Farmer aus der Nähe von Höfn, sich ihrer erbarmte.
Von links nach rechts zählte er auf und übersetzte Sigriður Heidas Worte. »Geräucherter Schweinerücken, wildes Alpenschneehuhn, geräuchertes Hammelfleisch, Trockenfisch.« Dazwischen lagen allerlei vertraute Beigaben, auch Süßigkeiten wie Mandel-Reisbrei.
Nadja lief das Wasser im Mund zusammen, bis sie zu den weiteren isländischen Spezialitäten kamen, die ihr dann doch ein wenig des Guten zu viel waren. »Gammelrochen«, das war fermentierter Fisch, der einen durchaus strengen Geruch besaß, »und hier hrútspungar, das sind milchsauer eingelegte Hammelhoden. Schweine- und Lammfleischsülze, milchsaurer Walspeck und schwarz gesengte Svið, das sind Schafsköpfe, und dort liegen Blut- und Leberwürste.«
»Äh … vielen Dank«, sagte Nadja artig, obwohl es sie innerlich schüttelte, vor allem vor dem nicht zu Unrecht so benannten Gammelrochen. Der war wahrscheinlich nur mit sechzigprozentigem Schnaps genießbar. »Das ist ja unglaublich, wie viel ihr auftischt!«
»Stimmt«, bestätigte Jón, und Sigriður Heida nickte eifrig. »Sonst machen wir das nur Weihnachten, aber es ist Ingolfirs Geburtstag – sag ihm das aber bloß nicht –, und außerdem haben wir bald Ernte. Wir feiern heute gewissermaßen das Ende von tvimanaðr, den Zwiemonat, auch genannt heyannir, das bedeutet Heumonat, der Ende August beginnt. Und in ein paar Tagen fängt kornskurðarmanaðr an, der Kornmahdmonat, das ist der haustmanaðr, das bedeutet Herbstmonat und Ernte. Deshalb kommen wir Farmer
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