Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
nicht lange gedulden. Bald näherte sich ein dünner Elf, dessen grüne Haut von dunkelbraunen Mustern durchzogen war. Seine Haare waren scheckig und chaotisch verflochten, und inzwischen trug er sein Geweih sogar offen zur Schau. Nun, er musste seine Corvidenabstammung vor niemandem mehr verbergen.
Er wirkte nicht überrascht, einen Mondelfen vor seiner Tür warten zu sehen. Seine Stirn war gerunzelt, die braunen Rehaugen funkelten misstrauisch. Ihm würde Gofannon nicht so leicht etwas vormachen können. Ainfar hatte im Schattenland viel mitgemacht und einen großen Erfahrungsschatz gesammelt. Nicht auszudenken, was er inzwischen alles über Bandorchu preisgegeben hatte!
»Ich hörte bereits von Eurer Anwesenheit«, empfing Ainfar den Gast ohne das übliche Zeremoniell. »Und ich will nicht wissen, was Ihr mir zu sagen habt. Wenn meine Stunde gekommen ist, so mag es sein, aber bis dahin werde ich in Frieden leben.«
»Auch jetzt noch, nachdem Ihr bereits eine Ahnung habt, dass es nicht gut enden wird?«, entgegnete Gofannon. »Immerhin zeigt meine Anwesenheit schon, dass es böse Kunde gibt. Dieses Wissen könnt Ihr nicht mehr aus Eurem Gedächtnis streichen. Wäre es dann nicht besser, vorbereitet zu sein?«
»Kann man die Zukunft denn ändern, Abair?«
»Ich sehe Dinge, die geschehen können. Es sind Visionen, keine festen Bestimmungen.«
»Nun, sagt mir – gab es je einen Elfen, der die Vision eines Mondelfen Lügen strafte?«
»Das weiß ich nicht, edler Ainfar.«
»Und betrifft eine Vision jemals Euch selbst? Nennt sie auch Mondelfen das nahende Lebensende?«
»Jeder Mondelf kennt die Stunde seines Todes ab dem Zeitpunkt, wenn er geboren wird«, antwortete Gofannon. »Doch er vergisst sie wieder. Erst kurz vor dem Moment kehrt sie in sein Gedächtnis zurück.«
Der Tiermann blieb stehen und dachte nach. »Na schön, ich habe wohl keine Wahl.«
»Man hat immer eine Wahl«, wies Gofannon ihn zurecht.
»Ja, zwischen Dummheit und Vernunft. Nur ist beides nicht immer leicht voneinander zu unterscheiden.« Ainfar ging zur Tür. »Wartet hier, ich komme gleich zurück.«
Eledula erwartete ihn bang. »Was hast du vor, Ainfar?«
»Ich werde mit ihm gehen und mir anhören, was er zu sagen hat«, antwortete er. »Das kann schnell gehen oder eine Weile dauern. Gräme dich nicht. Geh in den Palast und warte dort auf mich.«
»Ich möchte hier …«
»Nein, Eledula, du bleibst jetzt nicht allein. Geh zu Regiatus und warte bei ihm.«
Sie ergriff seine Hände. »Was hat das alles zu bedeuten, Ainfar? Was kann der Mondelf von dir wollen?«
»Ich weiß nicht, von welcher Bedeutung ich sein sollte, dass ein Mondelf mich aufsucht.« Ainfar schloss die Arme um sie und küsste sie. »Aber es hat keinen Sinn, ihn fortzuschicken; das würde alles nur noch schlimmer machen. Es gibt genug Geschichten über Unglücksfälle, die Wesen widerfuhren, welche einen Mondelfen nicht anhörten. Ihre Flüche sollen sehr wirksam sein. Deshalb gehe ich jetzt, und du tust, was ich dir gesagt habe.«
Sie klammerte sich an ihn. »Du solltest eine Audienz bei Fanmór verlangen und seinen weisen Rat einholen!«
»Um alle noch verrückter zu machen? Mondelfen sind hoch geachtet und vertrauenswürdig. Sie tun nichts ohne Grund, und wenn sich schon einer auf den Weg hierher macht, um ausgerechnet mich zu sprechen, muss es von Bedeutung sein.«
Abermals drückte er sie an sich, bevor er sich von ihr löste. »Ich habe keine Angst vor dem, was er mir sagen wird. Denn aufgrund meiner Abstammung habe ich ein Anrecht auf Samhains Fragen und könnte so aus Annuyn zurückkehren.«
»Ich habe unseretwegen Angst«, sagte sie. »Ich will nicht, dass sich etwas ändert.«
Er schüttelte leicht den Kopf. »Daran können wir nichts mehr ändern, Eledula. Letztendlich hat die Veränderung uns auch befreit. Es wird nie mehr sein, wie es war.«
Sie gab widerstrebend nach. »Gut, dann rede mit ihm und entscheide, ob ich es erfahren soll oder nicht. Derweil gehe ich zu Regiatus, wie du es wünschst.«
Gofannon wartete ungeduldig, aber er ließ sich nichts anmerken. Als Ainfar wieder herauskam, schlug er den Weg zu einem ein Stück weit entfernten Wald ein.
»Es ist angenehmer für mich, wenn so wenig Elfen wie möglich um mich herum sind«, sagte der Gott. »Neue Visionen könnten auf mich einstürzen, die mich in meiner Konzentration stören – und ich habe in letzter Zeit genug schreckliche Dinge gesehen.«
»Habt Ihr noch zu anderen Eurer Art
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