Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
nach München geflogen sind«, bemerkte sie trocken. Sie goss den Wein ein und prüfte die Note mit leicht geblähten Nasenflügeln. Es war Elfenwein, den sie aus irgendwelchen Beständen aus dem Keller geholt hatte.
»Nadjas Eltern sind auch auf dem Weg«, fuhr er fort. »Fabio Oreso hat mich gebeten, Nadja zu unterstützen. Er sagte, jeder werde gebraucht.« Er kostete den ersten Schluck und nickte anerkennend. Sein Geschmackssinn war nicht eingetrocknet, er hatte sich sogar verschärft. Dass Robert auch Elfenwein nicht mehr verwerten konnte, spielte dabei keine Rolle. Auf den Genuss kam es an.
»Ja …«, sagte Anne abwesend. Ihr Zeigefinger kreiste um den Glasrand. »Ein großer Sturm braut sich zusammen, ich kann es fühlen … In seinem Zentrum befinden sich Nadja und ihr Sohn. Die gesamte magische Welt setzt ihre Hoffnungen auf dieses Kind, das bald geboren wird.«
»Hofft ihr, dass er der Quell der Unsterblichkeit ist?« Robert hatte damit kein Problem – er war durch Annes Vampirkuss unsterblich geworden. Anne fand es überhaupt nicht witzig, wenn er sie damit aufzog, dass sich die Vorzeichen geändert hatten – nun wurde
sie
alt, er nicht …
Die Muse hob die Schultern. »Nicht wenige werden das hoffen. Aber es geht auch um Macht und dergleichen, Robert. Jeder von uns kann spüren, dass Nadjas Sohn alles verändern wird und dass gewaltige Kräfte in ihm ruhen.«
»Mhm«, machte er und zögerte. »Also bist du einverstanden, wenn wir Nadja helfen?« Er schielte bereits in Richtung seines Laptops im Zimmer nebenan, wo er im Internet die nächstmögliche Flugverbindung heraussuchen wollte. Das »wir« betonte er. Immerhin konnte Anne ihn nicht wie früher mit seinem Roman erpressen – der war laut Verlagsauskunft bereits in der Druckerei.
»In erster Linie werde ich verhindern, dass Saul Tanner seine Finger an sie legt«, zischte sie. »Ich bin ihm noch etwas schuldig und werde ihn ein für alle Mal aus dem Verkehr ziehen!« Sie nahm einen tiefen Schluck. »Beantwortet das deine Frage? Ich kann es auch gern verdeutlichen: Ja, wir werden beide so schnell wie möglich nach Island fliegen.«
Das war eine Erleichterung, aber immer noch nicht genug. »Und … auf welcher Seite stehst du?«
Sie hob eine Braue. »Auf meiner, Robert, wie immer.«
»Irgendwann wird das nicht mehr genügen.« Er wich ihrem Blick aus, aber das musste einmal gesagt werden.
Ihre Beziehung war nicht einfacher geworden, nachdem sie ihn zu ihrem untoten Gefährten gemacht hatte. Er hatte alle Konflikte über den Tod hinaus mitgenommen. Robert Waller hatte seine Erinnerungen behalten und ebenso seine Gefühle. Sein Körper war … anders, auf bizarre Weise leistungsfähiger denn je, und seine Sinne phänomenal. Tief in sich drin jedoch war er immer noch derselbe Mann wie vor seinem Tod.
Manchmal fragte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn Anne ihm einfach Vergessen geschenkt hätte.
»Es hat mir jahrtausendelang genügt, Robert, also fang nicht an, mich zu belehren oder zu missionieren!« Ihre tief liegenden Augen blitzten auf. Das war eine eindeutige Warnung.
Nach der Rückkehr auf die Isle of Man hatten sie schon ein paarmal miteinander gekämpft, und zwar auf rabiate körperliche Weise. Es war erschreckend und erregend zugleich für Robert gewesen, Teil seines neuen »Lebens« oder wie immer man es bezeichnen wollte. Existenz, das traf es vermutlich am besten. Jedenfalls hatte er gemerkt, wie er die Kontrolle über sich verlor und sich in ein wildes Tier verwandelte, das mit gebleckten Zähnen über die Frau herfiel, die er liebte. Und sie hatte nicht weniger heftig geantwortet, mit Krallenhänden nach ihm geschlagen und Zähne gezeigt, die größer waren als seine.
Es endete jedes Mal mit Leidenschaft und Liebesrausch, und Robert schwang durch Höhen und Tiefen zugleich, zerrissen zwischen Wollust und Entsetzen.
»Ist ja schon gut«, beschwichtigte er. »Aber im Gegenzug bitte ich dich, meine Einstellung zu respektieren. Ich habe meine Seite gewählt, noch bevor ich dich kannte. Nadja ist meine beste Freundin und manchmal wie eine Tochter für mich, und ich werde alles für sie tun. Auch ich werde mit allen Mitteln verhindern, dass Bandorchu sie in die Fänge bekommt.«
»Darüber reden wir, wenn es so weit ist«, erwiderte sie ausweichend.
In den nächsten Tagen rannte Tom nervös zwischen seiner und Nadjas Wohnung hin und her. Fabio hatte ihm eingeschärft, dass er sich bei niemandem melden dürfe;
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