Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
gewesen, dass er die Freundschaft aufgekündigt hatte – nur um schließlich wieder vor Nadjas Tür zu stehen. Und dann hatte er zum ersten Mal bewusst Elfen gesehen und alle Zusammenhänge erfahren.
Nach dem Ende des Telefonats war Tom verwirrt. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend fragte er Nadjas Vater: »Ich verstehe nicht ganz. Sie sagten:
Ich bin noch am Leben?
Was hat Robert getan?«
»Er und Lan-an-Schie, die sich Anne Lanschie nennt, hatten in Bratislava eine heftige Auseinandersetzung mit dem inzwischen sattsam bekannten Saul Tanner und mit Darby O’Gill oder vielmehr Alebin – womit sich dessen Verbleib auch geklärt hat«, berichtete Fabio. »Robert behauptet, keine andere Wahl gehabt zu haben und voll zu seiner Entscheidung zu stehen – ja
glücklich
damit zu sein.«
Tom trommelte ungeduldig mit den Fingern gegen die Rückseite des Sessels, was ein dumpfes Geräusch erzeugte. »Und was war das nun für eine Entscheidung?«
»Das willst du nicht wissen.«
»He, behandeln Sie mich nicht dauernd wie ein Kind!«
»Du
bist
ein Menschenkind, Tom, und deshalb …«
»… sagen Sie mir sofort, was mit Robert passiert ist!«
»Er ist ein Vampir.«
»
Was?
«
»Eben deswegen wollte ich es dir nicht sagen! Du kapierst es ohnehin nicht.«
Tom holte tief Luft, dann sah er Julia aus der Küche kommen und riss sich zusammen. »Erklären Sie es mir noch einmal, Herr Oreso, und vielleicht ein bisschen ausführlicher, wenn ich bitten darf.«
»Mich interessiert es auch«, sagte Julia.
»Also schön.« Fabio seufzte. »Aus Liebe zu Anne hat er sich von ihr beißen lassen. Jetzt ist Robert ein untoter Vampir … oder zumindest irgendwas in der Art. Niemand weiß genau, was er ist, denn Anne hat ihn zu ihresgleichen gemacht. Er erinnert sich aber daran, dass er starb.«
Tom war geplättet. Er schwankte um den Sessel und ließ sich hineinfallen. »Warum macht jemand so etwas?«, flüsterte er.
»Wie ich sagte: aus Liebe«, erläuterte Fabio. »Sie befanden sich seinen Worten nach in einer prekären Lage ohne Ausweg. Demnach wäre er so oder so umgekommen und vielleicht sogar trotzdem zum Vampir geworden – aber zu einem von der fiesen Sorte, die die Menschen nur zu gut kennen und fürchten. Stattdessen hat Robert nun diesen Weg gewählt.«
Tom schluckte und konzentrierte sich auf den Rest der Geschichte. »Darby O’Gill – das ist der Mörder von Nicholas Abe, oder?«
»Ja. Er bildet ein reizendes Mörderpaar mit Saul Tanner, und wie du bereits richtig recherchiert hast, sind die beiden nach Island unterwegs. Nun erklärt sich erst recht die Verbindung zu Nadja; er will sie und … unseren Enkel natürlich in die Hand bekommen!« Auf Fabios Gesicht zeigten sich hektische Flecken der Wut, und für einen Moment schien seine Gestalt zu wachsen. Das durchsichtige Abbild eines dunkelhaarigen jungen Mannes mit spitzen Ohren flackerte auf.
Doch er hatte sich schnell wieder in der Gewalt, und die Erscheinung erlosch. Fabio sah auf die Uhr und wandte sich danach seiner Frau zu. »Schatz, wir müssen los.«
Er warf Tom das Handy hin. »Alles Gute, Tom. Nadja zählt auf dich! Du bist jetzt die einzige Verbindung zur Menschenwelt, die sie noch hat. Sie wird dich brauchen, wenn sie mit dem Kind nach Hause kommt.«
»Ich denke, sie braucht eher ihre Eltern«, wandte Tom zaghaft ein. Er war immer noch ein wenig erschrocken über das, was er gerade gesehen hatte. Es war unheimlicher gewesen als David und Rians violette Augen oder ein Igel mit roter Mütze.
»Wir werden nicht mehr lange in der Menschenwelt verweilen.«, Fabio nahm Julias Hand. »Also, Tom, bis dann. Lass dich nicht unterkriegen, durch niemanden.«
Zwischenspiel
Isle of Man
Robert starrte das Handy an. Draußen ging der nächste Wolkenbruch nieder, und im offenen Kamin kämpfte das Feuer gegen die unangenehm kalte Feuchtigkeit an, die durch die unzureichend abgedichteten Fensterritzen hereinkroch. An solchen Tagen war die Isle of Man einfach nur ein scheußlicher kleiner Klecks im Meer, den man auf der Landkarte für Fliegendreck hielt und am besten wegwischte.
»Was ist? Was hat Fiomha erzählt?«, drängte Anne, während sie am Weinöffner zerrte. Geräuschvoll ploppte der Korken aus der Flasche Rotwein, und sie holte zwei passende Gläser aus dem Küchenschrank.
»Nadja ist auf Island«, hauchte Robert. Er saß am Küchentisch und hielt das Handy vor sich.
»Na, dann haben wir ja die richtige Reiseroute gewählt, als wir hierher statt
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