Elfenzeit 12: Ragnarök - Schartz, S: Elfenzeit 12: Ragnarök
den schmalen Fensterschlitz und atmete heftig ein und aus, ihre Lefzen flatterten.
»Da vorn kommt wieder ein Schild«, sagte Tanner und deutete vor sich.
»Nur ein Hof«, sagte Darby, dessen Augen schärfer waren. »
Melasól
.«
Sie hatten die Abzweigung kaum erreicht, als Cara laut zu bellen begann und sich wie toll gebärdete.
Tanners Herz machte einen Satz. Waren sie etwa am Ziel? Er trat auf die Bremse und stieg mit Darby aus. Empfindliche Kälte umfing sie, und ein Windstoß traf ihn so heftig, dass er gegen den Wagen gepresst wurde. Wenigstens regnete es nicht, aber vielleicht würde es tatsächlich bald schneien.
Der Elf ließ den Wolfshund aus dem Wagen, der zur Abzweigung lief und aufgeregt mit der Nase am Boden hin und her schnüffelte. Dann blieb Cara stehen, hob den Kopf und bellte abermals.
»Das ist es«, sagte Darby. Er konnte die Erregung in seiner Stimme nicht unterdrücken.
Er ging zu seiner Hündin und sah sich den Boden genauer an. »Ja, da ist etwas!«, rief er kaum verständlich durch den Wind zu Tanner herüber. Seine roten Haare wehten nach vorn und hinten, je nachdem, wie er den Kopf drehte.
Cara schien das Wetter zu gefallen, sie sprang jaulend um ihren Herrn herum und forderte ihn zum Spielen auf.
»Steigt wieder ein, los!«, forderte Tanner sie ungeduldig auf. »Lasst uns nicht noch mehr Zeit verlieren, wir sind nicht zum Vergnügen hier.«
Der Schotterweg war überraschenderweise gut befahrbar, und sie erreichten eine fruchtbare Senke. Einige Autos parkten dort. Das Tor einer Scheune stand weit offen, und Leute gingen ein und aus, transportierten Tische, Bänke und dergleichen mehr. Andere standen dabei, hielten Biergläser in der Hand und gaben offenbar kluge Ratschläge. Ein struppiger Hund lief aufgeregt zwischen den Menschen herum, stutzte plötzlich – und rannte bellend auf die Neuankömmlinge zu.
Sofort wurde Cara unruhig. »Still!«, fuhr Tanner sie an, weil der Wagen durch ihre heftigen Bewegungen ins Schwanken geriet.
Ein großer blonder Isländer kam aus der Scheune und ging langsam auf sie zu. Der Hund kehrte schwanzwedelnd zu ihm zurück. Eine junge Frau mit schwarz gefärbten Haaren, wahrscheinlich die Tochter des Fremden, kam an seine Seite.
»Mit dem müssen wir uns unterhalten«, bemerkte Tanner.
Sie stiegen aus und näherten sich den beiden. Unten in der Senke brauste der Sturm nicht ganz so heftig, und es war auch nicht so kalt. »Hallo«, sagte Tanner und knöpfte sich trotzdem die Jacke zu.
»Hallo«, gab der vierschrötige Isländer zurück. Auf Englisch fuhr er fort: »Ihr solltet bei dem Sturm nicht zu weit fahren.«
»Wissen wir«, sagte Tanner bemüht freundlich. »Wir sind auf der Suche nach jemandem.«
»So?«
»Eine junge, hochschwangere Frau«, fuhr Darby fort. »Braune Haare und Augen, Mitte zwanzig, sehr hübsch.«
Der Isländer hob scheinbar gleichgültig die Schultern, doch der unstete Blick seiner Augen zeigte, dass er log. »Bedaure.«
Tanner hatte zudem gesehen, wie etwas in den Augen der Tochter aufblitzte, obwohl sie die Miene nicht verzog.
Auch Darby schien es bemerkt zu haben, denn er deutete mit dem Daumen auf den Wagen und sagte: »Mein Hund sieht das anders.«
»Wer seid ihr überhaupt?«, fragte die Schwarzhaarige angriffslustig.
Nach und nach näherten sich die anderen aus der Scheune, allen voran eine große, stämmige Frau Ende vierzig mit sehr energischen Bewegungen.
»Verzeihung«, sagte Tanner geschäftsmäßig lächelnd. »Ich bin Saul Tanner, Geschäftsmann aus New York, und das ist Darby O’Gill aus Schottland.«
»Ich bin Ingolfir, das ist meine Tochter Jónína …«
»… und ich bin Sunna«, sprach die Isländerin und trat mit in die Seite gestemmten Armen dazu. »Wir kriegen hier selten Besuch von Kontinentalen.«
»Nun, wie gesagt, wir sind auf der Suche«, sagte Tanner beschwichtigend.
»Mit einem Spürhund?« Die Frau zeigte offenes Misstrauen.
»Und nach einer Schwangeren?«, fügte Ingolfir hinzu.
Die Front der drei war offensichtlich, und noch offensichtlicher ließ ihr Verhalten vermuten, dass sie von Nadja wussten. Wenn sie nicht unter ihnen war oder gewesen wäre, hätten diese Leute bedeutend gleichgültiger reagiert und die beiden Männer einfach weitergeschickt, ohne Fragen zu stellen.
»Es ist
ihr
Hund«, behauptete Darby. »Die Frau, die wir suchen, heißt Nadja Oreso. Ich bin der Vater ihres Kindes.«
»Und ich bin Nadjas Vater«, setzte Tanner die Lüge fort. »Ihre Mutter rief
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