Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs - Kern, C: Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs
lagen in einem heillosen Durcheinander, als habe jemand alles hastig zu Boden geworfen und danach wahllos Steine darauf geschichtet. Es waren keine Beckenknochen oder ein Schienbein zu sehen.
In der Höhle war es mittlerweile totenstill geworden. Nicht einmal ein Wassertropfen fiel. Das Dunkel war undurchdringlich und –
tot
. Eine passendere Bezeichnung fiel Rian nicht ein. Vermutlich gab es keine.
Die Zwillinge schwiegen eine Weile.
»Wenn man der Legende glauben kann«, sagte David schließlich, »dann ist das wohl wirklich der Volksheld Maui, Sohn des Makea Tutara und der Taranga.«
Rian schlug ein heiliges Zeichen des Friedens. »Wir können nichts weiter tun, als ihn zu nehmen und zu Tamati und den anderen zu bringen.«
David hatte in seinem Rucksack ein großes rot, weiß und schwarz gemustertes Tuch gefunden, das gesäumt war. Es war weich wie Stoff, aus unendlich feinen Bastfasern geflochten und danach sorgfältig gefärbt worden. Der Prinz glaubte nicht an Zufall.
»Ich gehe jede Wette ein, dass Tamati es hineingelegt hat, damit wir die Knochen darin bergen.«
»Er glaubte, dass Maui wieder zum Leben erwacht, wenn wir ihn auf der anderen Seite hinausbringen«, wandte Rian ein. »Dann wäre es ein Kleidungsstück.«
»So oder so, es ist für Maui gedacht.«
Kaum hatte David das gesagt, flatterte die Taube von Rians Schulter auf und begann zu gurren.
»Was sagt er?«, fragte David stirnrunzelnd.
»Du hast ein Grabtuch in der Hand. Offenbar ist es für solche Zwecke gedacht, Maui wollte dir deine Annahme bestätigen.« Sie lauschte wieder einen Moment und hob die Brauen. »Wie es aussieht, hat Tamati uns tatsächlich das Tuch zu genau diesem Zweck mitgegeben.«
»Dann halten wir uns nicht weiter auf. Tamati wird uns einige Erklärungen schulden, wenn wir erst wieder draußen sind.«
David wirkte leicht verärgert, konzentrierte sich aber darauf, die Knochen zu bergen. Mit aller gebotenen Sorgfalt legte er sie nacheinander in das Tuch, und Rian sang leise ein Totenlied der Crain dazu.
Schließlich verschloss David das Tuch und schulterte es. »Unsere Aufgabe ist erledigt.«
Rian nickte. »Dann muss uns Maui nur noch hier rausführen.«
Doch die Taube schwieg.
Tamati Waka Nene spürte die Überreste von Magie in der Luft wie eine Vibration, die aus vergangenen, viel mächtigeren Zeiten übrig geblieben war.
Puauta
.
Es war tot und doch in diesem Moment überall um ihn herum zu spüren. Tot, weil Makea Tutara die Gebete falsch intoniert und bei den rituellen Bewegungen einen Fehler gemacht hatte, die den Ahnen zu Ehren bis auf den kleinsten Muskel korrekt ausgeführt werden mussten.
Nur einen kleinen Fehler, aber Puauta hatte sich den Menschen deshalb verschlossen. Hine-nui-te-po war dank des Tiwakawaka ein letztes Mal aufgewacht und hatte Makea Tutaras Sohn getötet.
Tamatis Gebete wurden inbrünstiger.
So lange hatte er in der Verbannung gelebt, um zu büßen und wiedergutzumachen. So lange hatte er um seinen Sohn getrauert. Es war an der Zeit, dass er zu seinem Ursprung zurückkehrte.
Danke
, dachte er.
Danke für diese zweite Chance. Ich werde sie wahrnehmen, und diesmal wird es gut gehen. Es wird ein Neubeginn sein
.
Der alte Mann spürte, wie etwas in ihn zurückkehrte, in ihn hineinfloss und ihn mit Energie ausfüllte. Er konnte es wieder fühlen, so wie früher. Die Verbindung aller Sphären, deren Teil er war.
Zuletzt kehrte sein Name zu ihm zurück – Makea Tutara.
28 Verluste
Brighde war tot.
Der Panther spürte den Tod seiner Schwester. Er saß auf dem schmalen Bett in seinem Quartier hoch oben im Palast. Der Junge lag in der Schublade einer Kommode. Catan hatte sie mit ein paar Decken ausgekleidet. Eine Wiege hatte er im Palast nicht gefunden.
»Meine Schwester ist tot«, sagte der Panther. Es laut auszusprechen war merkwürdig. Er wartete darauf, etwas zu fühlen, vielleicht eine Leere, einen Stich, Bedauern, irgendetwas. Doch da war nichts. Der Satz hatte keine Bedeutung für ihn.
Zu viel Zeit ist vergangen
, dachte er. Ihre Leben hatten sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt, sogar noch vor der Vertreibung. Sie beide hatten Johannes im Palast gedient, aber schon damals hatte er gewusst, dass ihr dieser Dienst allein nicht lange reichen würde. Sie hatte die Nähe des Königs gesucht, seine Macht hatte sie angezogen und gereizt wie das Licht einer Kerze eine Motte. Sie wäre darin verbrannt, das musste Johannes erkannt haben, denn bevor sie erwachsen wurde,
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