Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs - Kern, C: Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs
dort. Er zog mit der Linken die Taschenlampe aus dem Rucksack, den er von Tamati erhalten hatte. In der rechten Hand hielt er immer noch den Buchenstab so, dass er sich und Rian jederzeit verteidigen konnte.
»Dann wollen wir mal.« Die Taube auf Rians Hand gurrte wieder leise. Es klang ein wenig furchtsam, als mache sich der Vogel Gedanken darum, was ihn erwartete.
Sanft strich Rian mit einem Finger über sein gesträubtes Gefieder. »Kein Wunder, dass du Angst hast, Maui«, murmelte sie. »Schließlich bist du einst hier gestorben, nicht wahr?« Abermals gurrte die Taube. Sie trat unruhig von einem Bein aufs andere, bis Rian sie vorsichtig auf ihre linke Schulter setzte. »So, halt dich gut fest. Bei mir bist du sicher, ich werde auf dich achtgeben, mein Kleiner.«
»Rian, jetzt komm endlich!«
Rian strich der Taube noch einmal über den Schnabel und atmete aus, bevor sie sich durch die enge Öffnung zwängte, hinter David her. Beinahe sofort war es stockdunkel. Das spärliche Licht, das durch den schmalen Eingang schien, erhellte die Höhle nur auf wenige Meter, und Rian war froh, dass sie Licht bei sich hatten. David leuchtete den Weg aus, doch Rian bat ihn, ihr die Lampe zu geben.
Sie bewegten sich vorsichtig vorwärts, David zuerst, dann Rian mit der Taube auf ihrer Schulter.
Der Weg war steinig, und David stolperte ein paarmal über größere Granitbrocken. »Rian, es wäre besser, wenn du den Boden ausleuchtest statt der Wände, meinst du nicht?«, sagte er, nachdem er ein weiteres Mal fast gefallen wäre.
»Entschuldige«, sagte seine Schwester abwesend. »Ich dachte nur, hier gäbe es vielleicht Zeichen an den Wänden, alte Malereien, irgend so etwas. Immerhin ist das ein sehr alter, mystischer Ort der Menschen.« Sie erinnerte ihn besser nicht daran, was genau das für ein Ort in der Vorstellung der Menschen war, damit David nicht wieder einen Anfall bekam.
»Leuchte einfach den Boden aus und lass uns endlich vorankommen, ich will die ganze Sache so schnell wie möglich hinter mich bringen«, versetzte David.
Darin konnte sie ihm allerdings nur zustimmen. Mehr und mehr hatte Rian das Gefühl, dass sie sich durch etwas bewegten, was vielleicht einmal von Lebensodem erfüllt gewesen war, doch diese Zeiten waren offensichtlich lange vorbei. Die Göttin schlief nicht. Sie war auch ohne Mauis Zutun irgendwann gestorben.
So etwas kam vor, im Verhältnis betrachtet bei den Göttern öfter als bei den Elfen. Die wenigsten Götter wurden so wie die Elfen unsterblich geboren, sie brauchten meistens eine Essenz oder Ähnliches, um sich am Leben zu erhalten oder dadurch Unsterblichkeit zu erlangen. All das hatte die Göttin vielleicht verloren; möglicherweise hatte sie ihre Existenz auch nicht mehr aufrechterhalten wollen. So wie die Olympier, die einst gegangen waren, ohne eine Spur zu hinterlassen. Vielleicht existierten sie noch irgendwo, vielleicht waren sie ebenfalls gestorben.
An diesem Ort jedenfalls lebte nichts mehr.
Dieser Gedanke machte Rian auf etwas anderes aufmerksam.
Einiges fühlte sich nicht richtig an – doch was genau es war, konnte sie nicht benennen. Sie fühlte sich so, als hätte man ihr etwas Wichtiges genommen, auf das sie aber nicht kam. Jedes Mal, wenn sie versuchte, sich daran zu erinnern, glitt ihr der Gedanke durch die Finger.
Sie gingen eine Weile den Gang entlang, fanden jedoch an keiner Stelle eine Öffnung oder einen Durchgang. Der Tunnel schien nur in eine Richtung zu führen – nach vorn. Rechts und links hatten sie so wenig Platz, dass sie nicht nebeneinander gehen konnten. Das einzig Besondere an diesem nichtssagenden Schacht war, dass er leicht anzusteigen schien.
Vergebens versuchte Rian, wenigstens die Umgebung zu erspüren. Da war nichts.
Und dann, plötzlich, spürte sie den Übergang. Die Energie änderte sich, und ihre Füße berührten den Boden. Tamati hatte recht – der Pfad durch die versteinerten Gebeine der Göttin führte nach Puauta, ins Blumenreich.
Auch auf dieser Seite änderte sich nichts. Die einzige Lichtquelle bot die Taschenlampe, die Felsen waren rau und porös.
Es gab nichts. Absolut keine Spuren. Nicht einmal Schatten.
Nur Stein und Leblosigkeit.
Auf einmal bekam Rian Angst. Sie blieb stehen. »David, was, wenn das hier eine Abart des Schattenlandes ist? Vielleicht wurde anderswo ein ganz ähnliches Reich der Verbannung erschaffen?«
»Falls dem so war, dann ist längst dahingegangen, was jemals hierher verbannt wurde«, erwiderte
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