Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs - Kern, C: Elfenzeit 13: Im Reich des Priesterkönigs
sollte, sich an jeden langweiligen Sonntag seines Lebens erinnern zu müssen.
Es pochte laut an der Tür zum Gemeindesaal, mitten in Onkel Tearoas Abrechnung hinein.
7 Wo Milch und Honig fließen
Nadja rutschte auf Gras aus und taumelte. Grelles Sonnenlicht blendete sie, trieb ihr Tränen in die Augen. Verschwommen sah sie den Panther, der mit langen Sprüngen zwischen den Hügeln verschwand. Eine Brise verwehte Talamhs Schreie.
Nadja wollte ihm folgen, aber Anne hielt sie immer noch fest.
»Er ist schneller als du«, sagte die Muse. »Du wirst ihn nicht einholen.«
»Er hat Talamh.« Nadja riss sich los. »Ich werde ihn finden, und du wirst mich nicht ...«
Anne unterbrach sie: »Ich weiß, wohin Catan deinen Sohn bringt.« Sie streckte den Arm aus und deutete auf einen Punkt hinter den Hügeln. »Dorthin.«
Nadja schirmte ihre Augen mit einer Hand ab und folgte der Geste. Sie standen in einem kleinen Tal zwischen einigen Hügeln. Gras bedeckte den sandigen Boden, irgendwo plätscherte ein Bach. Es war warm und trocken.
Der Punkt, auf den Anne zeigte, lag weit jenseits der Hügel. Es war ein Berg, der mächtig und grau in den Himmel ragte. Nadja konnte seine Höhe nicht schätzen, aber der obere Teil war schneebedeckt und von Wolken umgeben. Ein Gipfel fehlte, so als habe eine gewaltige Macht ihn weggesprengt und nur einen Krater hinterlassen.
Nadja kannte Bilder des Bergs, trotzdem zögerte sie, bevor sie seinen Namen aussprach. »Der ... Olymp?«
Anne nickte. »So nennen ihn viele.«
Robert trat neben sie. Er richtete seinen Blick nicht auf den Berg, sondern auf eine Herde Dromedare, die in einiger Entfernung durch das Tal zog. Sie fraßen Gras und Blumen, die so gelb waren, dass sie zu leuchten schienen.
»Sind wir in der Anderswelt?«, fragte Robert, während er sich in die Wiese hockte und mit der Hand über die Halme strich. »Alles ist so viel klarer als bei uns.«
Nadja wusste, dass sie nicht dort waren, sonst hätte sie über dem Boden geschwebt.
»Das ist nicht die Anderswelt.« Anne seufzte und sah sich um. »Jedenfalls nicht ganz. Wir befinden uns zwar in einer Sphäre der Anderswelt, aber was ihr hier seht, ist ein Traum, eine Vision, eine Welt innerhalb einer Welt.«
»Heißt das, sie ist nicht real?«, fragte Nadja.
»Wir sind darin, also ist sie real«, antwortete Anne. Sie warf einen Blick in den makellos blauen Himmel. »In der Menschenwelt ist sie nur ein Traum. Ihr kennt sie vielleicht als das Reich des Priesterkönigs Johannes.«
Robert stand auf. »Die Legende aus dem Mittelalter? Natürlich kenne ich die. Sie stammt aus ...«
»Können wir weiterreden,
während
wir gehen?«, unterbrach ihn Nadja. Seit sie wusste, was er geworden war, brachte sie es nicht mehr über sich, Robert anzusehen.
»Natürlich.« Er wischte sich die Hände an der Hose ab. Die Wunden, die von Dornen und Zweigen gerissen worden waren, verheilten bereits.
»Sie stammt aus dem zwölften Jahrhundert«, fuhr er fort, während sie den Hügel hinaufgingen. Die Dromedare im Tal hoben kurz die Köpfe, als der Wind Roberts Stimme zu ihnen hinübertrug, grasten dann jedoch weiter. »Es begann mit Gerüchten über ein großes christliches Reich im Osten. Dann tauchte ein Brief auf, in dem jemand, der sich Presbyter Johannes nannte, von seinem Reich erzählte. Es sollte sich von Indien bis zum Sonnenuntergang erstrecken und über immense Reichtümer und wundersame Bewohner verfügen. Die Quelle der Unsterblichkeit vermutete man dort.«
Nadja wurde hellhörig. Die Geschichte des Priesterkönigs war ihr nicht fremd, aber sie hatte sich nie damit beschäftigt. Robert anscheinend schon.
»Mehrere Päpste rüsteten Expeditionen aus, um das Reich des Johannes zu finden«, sagte Robert. Er klang aufgeregt. »Keine hatte Erfolg. Man vermutete es in Indien, Afrika, China. Sogar Marco Polo suchte danach. Irgendwann erklärte man den Brief zur Fälschung und Priesterkönig Johannes zu einem Mythos.« Er sah Anne an. »Aber er war kein Mythos, oder?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, aber er war auch nicht Priesterkönig Johannes. Diesen Namen nahm er erst an, nachdem er in der Menschenwelt so genannt wurde. Ich war damals seine Muse und half ihm bei der Erschaffung des Reichs.«
»Wer war er?«, fragte Robert.
»Ich weiß es nicht. Mir fehlt die Erinnerung an seine Identität.«
Immer dasselbe
, dachte Nadja frustriert. Jede Antwort, die Anne ihnen gab, warf weitere Fragen auf, die sie nicht beantworten konnte oder
Weitere Kostenlose Bücher