Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
antreten, magisch davon angezogen.
»Keinen Schritt näher!«, fuhr Gwynbaen Gofannon an. Erstmals reagierte sie auf seine Anwesenheit, und sie tat es mit tief sitzendem Zorn. »Du wirst dich gefälligst von mir fernhalten!«
Gofannon neigte ergeben das Haupt. Demut gehörte zu den neuen Charaktereigenschaften, mit denen er fertig werden musste.
Was kam, geschah quälend langsam. Gofannon fühlte sich durch sein Versprechen, Gwynbaen in die Verbannung zu begleiten, noch mehr an die Königin gebunden. Doch sie scheuchte ihn immer wieder weg, majestätisch und gleichgültig. So, wie man ein Insekt von sich fernhielt. Sie sprach kein Wort und würdigte ihn keines Blicks. Gwynbaens Gemütsruhe war beunruhigend. Keinen Gedanken verschwendete sie mehr an die Niederlage; längst schien sie neue Pläne zu wälzen.
Aber wie konnte sie auch nur daran denken, eine lebenswerte Zukunft vor sich zu haben? Die Schattenwelt war ein schrecklicher Ort, dem gerecht zu werden jegliche Beschreibung zu gering war. Wusste die Königin mehr als ihre Begleiter? Oder wollte sie mit ihrer Haltung Fanmór ein letztes Mal ihre Verachtung zeigen?
Das Portal leuchtete symestrinfarben, im Farbton der Warnung. Jedermann in der Anderswelt wusste und spürte, dass man dem Tor unter keinen Umständen zu nahe kommen durfte. Es roch und schmeckte nach Gefahr, nach widerwärtigem Unleben, nach tief reichendem Schrecken.
»Es geht los!«, sagte Fanmór, der das letzte Schloss des Portals geöffnet und für den Durchgang vorbereitet hatte. »Wenn es sich noch jemand überlegen möchte ...«
Gofannon stolperte in Richtung des Leuchtbogens, seinen Leidensgenossen hinterher. Der Marsch geschah in vollkommener Ruhe. Alles war gesagt, alle Entscheidungen getroffen. Seltsame Gedanken berührten ihn, während sein Herz rascher schlug. Erstmals überlegte er, wer von den beiden Kontrahenten denn das Recht auf seiner Seite hatte. Konnte er diese Dinge überhaupt beurteilen, ohne die Hintergründe zu wissen? Bestimmte allein der Sieger, was rechtens war? Oder gab es eine Moral, die sich darüber erhob?
Schändliche Ideen waren das, die zu seiner weiteren Verwirrung beitrugen. Als Gott hatte er stets getan, was er wollte; doch diese Zeiten waren endgültig vorbei, wie ihm qualvoll bewusst wurde. Von nun an würden ihn Belastungen treffen, auf die er nicht vorbereitet war. Früher hatte er sich über die ständige Überraschung der Menschen angesichts schmerzhafter Konfrontationen mit dem Schicksal gewundert; nun ahnte er, was sie durchlitten: Es gab keine Sicherheit. Man konnte sich auf nichts vorbereiten. Jeder Moment brachte neue Wendungen, keine Gefühlserfahrung wurde jemals zur Routine.
Ein Polypzentaur saugte sich mit schmatzenden Klebehufen durch das Portal. Er stieß dabei mit hochgerecktem Hals ein leises, irritierendes Kichern aus. Gofannon war der Nächste. Hinter ihm, so spürte er, ohne sich umdrehen zu müssen, wartete lediglich noch die Königin auf den entscheidenden Schritt.
»Es ... tut mir leid«, sagte er so leise, dass er annehmen durfte, nicht einmal Gwynbaen mit ihrem feinen Gehör nähme es wahr. Dann streckte er das Bein aus und schob es zögernd in das magieenergetische Flackern. Die kalten Flammen kitzelten auf seiner Haut; sie umklammerten und schoben ihn zugleich weiter, wie die nach hinten gebogenen Zähne einer Würgeschlange.
Keinen Blick hatte er mehr für Fanmór übrig. Er erlaubte sich einen letzten hasserfüllten Gedanken – eine durchaus angenehme Eigenschaft seines neuen Lebens – und gab sich den Flammen hin.
Bevor ihn das Portal endgültig verschlang, hörte er, wie die Königin ein paar Worte an ihren Widersacher richtete. Sie waren seltsam, rätselhaft und keinesfalls mit diesen Momenten zu vereinbaren. »Du glaubst, gewonnen zu haben, Fanmór von Sidhe Crain?«, zischte sie.
»Du irrst dich, wie du es niemals zuvor getan hast!« Und ein paar Augenblicke später, als sie beide bereits in einem schier endlosen, zeitentrückten Vorgang durch das magische Flammenmeer auf das Schattenland zuschwebten, meinte Gofannon sie flüstern zu hören: »Ich bin endlich zu Hause.«
8 Nadja
Die Einladung
Sie liebte und achtete Robert wie einen älteren Bruder, den sie nie gehabt hatte. Leider besaß er die hässliche Angewohnheit, sie immer wieder zu enttäuschen. 45 Jahre war Robert alt und hatte bis heute keinen Platz im Leben gefunden. Alles an ihm war unrund, halb fertig, eine ewige Baustelle.
Dennoch war er ihr Freund.
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