Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
Wenn sie gemeinsam reisten und arbeiteten, konnte sie sich beweisen. Sie fühlte sich dann nützlich,
gut
. Nadja unterstützte ihn, sie half ihm über die Krisen seines Lebens hinweg – und tat dies völlig uneigennützig. Ohne ein Wort des Dankes zu erwarten. Sie gab ihm Arbeit, gab seinem Leben Sinn und fand Worte, die ihn wieder aufrichteten, wenn er eine seiner Sinneskrisen durchmachte.
Es wäre schön, wenn ich meine Liebesbeziehungen auch so befriedigend gestalten könnte
, dachte sie frustriert.
Aber kaum geht’s um eine Herzensangelegenheit, sage und mache ich prompt das Falsche. Ha!
Sie zuckte die Achseln und blickte Robert hinterher, während dieser sich rücksichtslos durch die fröhlich feiernden Yorker drängte und hinab in das Gassengewirr der Altstadt lief. Ängstlich, fast panisch wirkte er.
»Morgen kannst du was erleben, Kerl«, murmelte sie. »Mich bei der Arbeit so hängen zu lassen ...«
Es fiel ihr schwer, sich auf ihren Job zu konzentrieren. Auch wenn sie es sich selbst gegenüber nur ungern zugab – die Geschehnisse in Paris und im geheimnisvollen Reich der Elfen hatten an dem Schutzschild des Professionalismus, mit dem sie sich normalerweise umgab, tiefe Kratzer hinterlassen. Seit diesem Tag hinterfragte sie sogar die unglaublichsten Geschichten in den deutschen und englischen Schmierblättern, die die Sensationslüsternheit der Menschen erfüllten. War etwas dran an der Nachricht über ein dreiköpfiges Monster, das laut Daily Sun in den Feldern Dartmoors sein Unwesen trieb? Was war mit den Kornkreisen in Mittelengland, die jeden Sommer für gehörige Aufregung sorgten? Stand die mehrmalige Sichtung eines Wolpertingers während der letzten Wochen in Niederbayern in irgendeinem Zusammenhang mit einem Portal zwischen Elfen- und Menschenwelt?
Nadja schüttelte heftig den Kopf, als könnte sie dadurch ihre kruden Gedanken loswerden. Sie hatte sich stets als seriöse Journalistin gesehen. Die Begegnung mit den beiden Elfen Rian und David, die sie heute als ihre Freunde betrachtete, hatte ihr Weltbild ganz schön durcheinandergewirbelt.
David ... was für ein gockelhafter, unsympathischer Dandy. Ein Luftikus, der stets das Vergnügen in den Vordergrund stellte und der nicht weiter als bis zur – übrigens sehr hübsch geformten – Nasenspitze dachte. Sie verachtete den Elf mit aller Inbrunst, und noch mehr ärgerte sie sich, dass sie ihre Gedanken in Momenten wie diesen an ihn verschwendete.
Eigentlich sollte sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren. Fette Beute wartete auf sie: ein Mitglied der Königlichen Familie und, vielleicht noch viel interessanter, Darby O’Gill. Der Verursacher und Sponsor dieses seltsamen Spektakels, das gerade eben mit dem Auftritt von
Sting
und
The Police
einen weiteren Höhepunkt erfuhr. Nadja kramte nach ihrem Handy. Es war ein Modell neuester Generation und lieferte gestochen scharfe Bilder, wenn man damit umzugehen wusste. Wenn Robert nicht zur Hand war, musste sie sich eben selbst helfen.
Sie vermutete Darby O’Gill im Backstage-Bereich der Hauptbühne. Dort, wo sich Schauspieler, Honoratioren, Roadies, Bühnentechniker und Manager ein buntes Stelldichein am Buffet gaben.
Der erste Security-Mann nahe dem polizeilichen Absperrgitter stellte für Nadja kein Problem dar. Mit starrem Blick marschierte sie an ihm vorbei und winkte dabei uninteressiert mit ihrem Freischwimmer-Ausweis, den sie an einem Schnürchen um den Hals gebunden hatte. Der äußere Verteidigungsring einer gut bewachten Zitadelle war immer leicht zu erobern, wie sie wusste. Je weiter man in Richtung Zentrum vordrang, desto professioneller und erbarmungsloser wurden die Wächter. Dem Burschen dort vorne zum Beispiel sah sie von Weitem an, dass er ein Profi war. Männer wie er, die jahrelang mit Künstler-Entouragen reisten, konnten durch nichts mehr erschüttert werden. Sie wussten, wer ins Reich der Glückseligkeit, sprich: in das unmittelbare Umfeld der Bühne vorstoßen durfte. Sie
rochen
es.
»Hast du Tom gesehen?«, fragte ihn Nadja und beugte sich zu ihm hinab. Sie bemühte ihren breitesten Cockney-Dialekt, den ihr ein Londoner Freund beigebracht hatte. »Er ist mein Bruder, und er hat mir versprochen, mir was vom Buffet abzugeben.«
»Verpiss dich!«, sagte der Security-Mann gelangweilt, ohne ihr mehr als einen Blick zu schenken. Er saß an einem wackeligen, runden Tisch und kratzte mit einem langen Messer irgendwelche Zeichen ins Holz.
»Aber Tom ...«
»Was verstehst du an
Weitere Kostenlose Bücher