Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
Kindeskinder zurückfallen wird.«
Sie stünden als Feiglinge da; als minderwertige Wesen, deren Atem die Luft verpestete. Das wusste er. »Die Crains werden euch meiden, wo es nur geht. Viele von euch werden in den dunklen Randbezirken meines Reichs siedeln müssen, andere werden niedrigste Arbeiten am Hof ausführen. Manche werde ich meinen Kampfverbündeten, die sich nach der Auflösung des Heeres in ihre eigenen Reiche zurückziehen, als ... Geschenke weiterreichen.« Fanmór lächelte listig. »Aber ist dies nicht die bessere Wahl, als eurer Heerführerin in die Schattenwelt zu folgen? Dorthin, wo jeder Atemzug eine Qual ist? Sind nicht manche von euch in den Sold Gwynbaens gezwungen worden und glücklich über die Gelegenheit, ihren Launen zu entkommen? – Ihr habt nun die Wahl. Die Königin wünscht, dass ihr euch für eine Seite entscheidet. Tretet zu ihr, oder kommt zu mir. Entscheidet euch rasch.«
Fanmór tat einen Schritt zurück. Zehn Körperlängen waren nun zwischen ihm und seiner ewigen Widersacherin.
Die Avatare, halbmannsgroß, bildeten einen wogenden Teppich unsicherer Gedanken. Die Krieger der Königin waren über verwüstete Heerlager, Verstecke und Krankenlager verteilt. Lediglich ein winziger Teil ihres Selbst war hierher gerufen worden. Sie würden durch ihre Entscheidung eine Prägung, ein Stigma erhalten. Es galt: Leben in Schande – oder Existenz in ewigem Schmerz in der Schattenwelt.
Ein etryskischer Vorderzwerg trat vor. Er blickte Fanmór verächtlich an und begab sich an die Seite der Königin. Das Oberhaupt eines Faerie-Stamms gelangte als Nächstes zu einem Entschluss. Das geschlechtslose Wesen mit von vielen Schlachten zernarbter Haut trippelte auf allen vieren in die Nähe des Elfenriesen. Der Kopf blieb gesenkt, Blut tropfte schwer zu Boden. Dann kamen die akkonischen Tierhalbgötter, gefolgt von einer Horde dumpfer Sichelzeller.
Pixies, Babayagas, Tauren, Chimären, Pucks, Dendroiden, Steininge, Basilisken, Taratzen, ein Stamm grobschlächtiger Menschen, Wahrwölfe, Goblins und die vielen Elfen, die ihr im Kampf zur Seite gestanden hatten, entschieden sich für die eine oder die andere Seite. Es war ein erschreckend lautloser Vorgang, dem die Bedeutung des Augenblicks kaum anzumerken war.
»Und was ist mit dir, Gofannon?«, fragte Fanmór schließlich und wandte sich ihm zu. »Willst du mich ins Baumschloss begleiten, um mich dort mit deiner Anwesenheit zu erheitern? Oder wirst du weiterhin an den Füßen deiner Herrin schlecken und ihre Wut erdulden?«
Gwynbaen hatte ihm seit dem Einmarsch in das königliche Schloss keinen Blick geschenkt. Ihre Verachtung lastete drückend auf ihm. Nicht nur, dass er gescheitert war; darüber hinaus hatte er sie auch noch verraten. Seine Folter blieb dabei ohne Bedeutung. Ebenso wenig spielte eine Rolle, dass ihn die launische Glücksgöttin hatte verlieren lassen. Er war gescheitert; nur dies zählte.
»Ich gehe mit Gwynbaen«, murmelte Gofannon.
»Braves Hündchen.« Fanmór nickte. »Spürst du das schlechte Gewissen, das in dir wächst? Mit dem Verlust deiner Göttlichkeit entstehen neue Dinge, die du bislang nicht kanntest. Gefühle wie Angst und Wut. Unsicherheiten. Unkontrollierbare Leidenschaften. Und ein Gewissen, wie es sonst nur minderen Wesen vorbehalten bleibt. Du musst von nun an mit derartigen Dingen fertig werden. Denke auch an den Fluch, den ich über dich gesprochen habe. Er ist wie ein Samen, der in dir keimen muss, bis er sich entfaltet. Manche der Alten sagen auch
Boon
dazu. Jedenfalls wirst du gewissen ... Zwängen unterliegen, wenn es so weit ist. Verstehst du?«
Gofannon brachte die Kraft auf,
nicht
zu antworten. Es wäre ihm als Zeichen weiterer Schwäche erschienen. Fanmórs Fluch würde zweifelsohne über ihn hereinbrechen. Dann, wenn er es am wenigsten erwartete. Boons waren heimtückisch. Sie nisteten sich ein, webten ein Netz des Vergessens um sich und brachen irgendwann mit eruptiver Gewalt aus ihrer Umkapselung hervor. Schon schwand die Erinnerung an Fanmórs Worte, der Verdrängungsprozess begann ...
Gut zwei Drittel der ehemals Verbündeten hatten sich mittlerweile auf die Seite Fanmórs geschlagen, um den Gang in ein neues, hartes Leben anzutreten. Die restlichen Getreuen umrahmten die Königin. Gofannon trat zögernd zu ihnen. Er spürte das Prickeln ihrer Nicht-Körper, während sie allmählich im Nichts vergingen. All diese Wesen würden, wo auch immer sie sich gerade befanden, den Weg zum Portal
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