Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
diese Weise für alle Ewigkeit an eine Stelle fesseln wollten.
Von seinen Augenbrauen und aus seinen Haaren rieselte Staub des Vergessens herab. Er sammelte sich in den breiten Falten der Tränensäcke und ließ sich nicht mehr hervorkratzen. Millimeterweise wuchsen dort die Ablagerungen; wie winzige Verliese kerkerten sie seine Augäpfel ein. Immer wieder musste Gofannon die kleinen Barrieren unter heftigen Schmerzen abbrechen.
Die Hitze des Schatzkästchens zeigte längst nicht mehr jene Wirkung wie zu Beginn seines Rückmarschs. Nur schwach glühte es auf, schaffte da und dort Erleichterung und stärkte seinen Willen ein wenig. Doch der Moment, an dem er innehalten musste und sich in sich selbst verlor, war nahe.
Eine Senke und dahinter ein Hügel, so sanft wie die ausrollende Welle des Meerwassers, breiteten sich vor ihm aus. Vielleicht würde er dahinter das Reich der Königin – wie hieß sie noch gleich? – erblicken können. Vielleicht aber war dies der Ort seiner letzten Bestimmung, da er, der Gott der ... der ... Wasauchimmer, seine letzten bewussten Bewegungen tat.
Peitschendes Knallen ließ Gofannon zusammenfahren. Noch einmal und noch einmal. Es tönte aus der Tiefe der Senke. Neugierig schob er sich ein wenig nach vorne, bis er das Tal in seiner Gesamtheit überblickte.
Da war nichts. Mörderisch spiegelnde Fläche, mehrfach gebrochene Lichtreflexionen, sonst gar nichts.
Halt!
Verärgert brach Gofannon die Staubstalaktiten vor seinen Augen weg. Augenblicklich erweiterte sich sein Gesichtsfeld. Rechts von ihm schleppte sich ein seltsames Lebewesen dahin. Es trug eine meterhohe, korkenzieherförmige Steinkrone, die seinen Kopf tief zu Boden drückte. Das Wesen schnaufte laut, stöhnte und ächzte. Es bewegte sich auf allen vieren fort, schob Hände und Füße zentimeterweise in Richtung der gegenüberliegenden Anhöhe. Bei jedem Ruck, den es mit Armen und Beinen tat, ertönte dieses erschreckende Knacksen. Als ob zwei kopfgroße Felsen gegeneinanderprallten.
Ein Leidensgenosse! Einer, der gleich ihm verzweifelt gegen sein Schicksal ankämpfte. Und er bewegte sich in dieselbe Richtung wie Gofannon.
Normalerweise wäre er ungerührt weitermarschiert und hätte dieses Geschöpf seinem Schicksal überlassen. Doch nun überkamen ihn seltsame Gedanken: Vielleicht war ein Weiterkommen zu zweit leichter? Konnten sie sich gegenseitig anfeuern, sich aufpeitschen; so lange, bis das Lager der ... dieser ... Frau erreicht und er in Sicherheit war?
Gofannon eilte hinab, so rasch ihn seine schmerzenden Beine trugen. »Warte auf mich!«, rief er – um erschrocken festzustellen, dass eine Vielzahl seiner Bartfäden versteinert war. Sie pressten seine Lippen so fest aneinander, dass sein Gestammel kaum noch etwas mit Sprache zu tun hatte. Er riss und zerrte an den Fäden, musste die Versuche jedoch bald aufgeben. Die steinernen Schlingpflanzen, die seine Hände umwuchsen, hätten sonst in seinem Gesicht Halt gefunden. Also zog er mit all seiner verbliebenen Kraft Oberund Unterkiefer auseinander. Lippen und Zähne rissen ab, bröckelten ab, und der Schmerz ließ ihn laut aufschreien. Immerhin – die Fäden gaben ein wenig nach; er konnte wieder halbwegs verständlich sprechen.
»Warte auf mich!«, wiederholte Gofannon. Er achtete nicht auf das sandverklebte Blut, das über sein Kinn hinab auf die Brust tröpfelte, sondern schrie weiter, so laut er konnte.
Das skurrile Wesen drehte seinen Kopf unendlich langsam zu ihm um, die hohe Steinspirale geschickt balancierend. Ein breites Gesicht blickte ihm entgegen, mit einem Mund, der sich von einer Seite zur anderen zog. Verräterisch wirkende Augen blinkten unter schmalen Schlitzen hervor. Wenige stachelige Haare fielen ihm ins Gesicht oder waren durch den Kopfstein gebohrt.
Die Gestalt hielt in ihren Vorwärtsbewegungen inne. Sie rührte sich nicht und wartete auf ihn.
Es dauerte eine Ewigkeit, bis Gofannon heran war. Immer wieder musste er ausspucken, um gerinnendes Steinblut aus seinem Mund loszuwerden. Nur ganz allmählich schlossen sich die Wunden seines sonst so gut heilenden Fleisches.
»Was bist du für ein hässliches Geschöpf!«, sagte der Kriecher mit unangenehm hoher Stimme. »Mir graust vor dir. Pftui!«
Zorn wallte in Gofannon auf. Wie konnte dieser Kretin es wagen, ihn, den Gott, derart zu verhöhnen?
Mühsam beherrschte er sich. Er ließ sich auf dem Boden nieder, tunlichst darauf achtend, ihn nicht mit den Händen zu berühren. Nun befand er
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