Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes - Thurner, M: Elfenzeit 2: Königin des Schattenlandes
du kleine Missgeburt. Ich verlange nicht, dass wir beide gut miteinander auskommen, und schon gar nicht brauche ich deine Freundschaft. Aber so, wie ich das sehe, sind wir aufeinander angewiesen. Wir werden diesen Weg gemeinsam gehen; ich werde dir helfen, bis du von allein laufen kannst. Darüber hinaus solltest du daran denken, dass dich die Königin ohne meine Fürsprache auf offenem Feuer rösten wird. Von dir erwarte ich im Gegenzug, dass du mich stützt und antreibst, sollte es bei mir ... nicht mehr weitergehen.«
»Ich habe das Gefühl, dass ich dir gegenüber deutlich im Vorteil bin. Mit jedem Augenblick wachsen meine Kraft und meine Zuversicht. Ich brauche dich eigentlich gar nicht! Deine bezaubernde Königin kann ich sicherlich dank meines natürlichen Charmes bezirzen.« Wieder lachte der Kau. Seine Augen rollten dabei in den tiefen Höhlen wild umher.
»Du wirst mir jetzt gleich versprechen, dass wir das gemeinsam durchstehen«, sagte Gofannon. »Du wirst dich durch einen Schwur an mich binden.«
»Der Kau schwört nie und nimmer!«, sagte der Kleine empört. »Du kannst mich nicht dazu zwingen.«
»Selbstverständlich kann ich das.« Gofannon grinste. Die Steinfäden rings um seinen Mund zogen sich schmerzhaft zusammen. »Wenn du das nicht tust, lasse ich mich auf dich fallen. Ich werde keinen Schritt mehr weiter tun. Ich werde dich mit meiner Gesteinshülle einkapseln, und du wirst für alle Ewigkeiten mit mir verwachsen sein.«
Der Kau riss erschrocken den Mund auf. Die Steinpyramide auf seinem Kopf begann leicht zu zittern.
Mit leiser, kaum hörbarer Stimme sprach er seinen Schwur und band sich damit für die Dauer ihrer gemeinsamen Reise an Gofannon.
Rasend schnell vermehrten sich nun die Sand- und Steingeschwüre an seinem Körper. Sie zogen weitere Erinnerungen aus ihm heraus, die ihm einmal wichtig und bedeutsam erschienen waren. Statt ihrer blieb Leere. Ein bedeutungsloses Nichts, das immer mehr zum Zentrum seines Seins wurde.
Der Kau trieb allerlei Schabernack mit ihm, und Gofannon ließ es geschehen. Der Kleine trat ihn, stopfte ihm Steine in den Mund, ergötzte sich an seinem Leid. All dies war ohne Belang. Das grässliche Weiß in seinem Inneren und die vielen Spiegelflächen, in denen sich seine banale Existenz widerspiegelte, wurden zum Lebensinhalt.
Wozu gehen? Wozu stehen? Wozu denken? Alles wurde, im wahrsten Sinne des Wortes, sinnlos.
»Geh weiter, du armseliges, nichtsnutziges Geschöpf!«, sagte jemand zu ihm. Der Mampf? Oder hieß er anders? Er fühlte sich zu müde, zu ausgebrannt, um das andere Wesen anzusehen. Vor ihm erschien das Spiegelbild seines Selbst; ein über und über von Geröll bewachsener Riese, dem die Gedanken in der Form von Staub von der Spitze rieselten und ihn weiter umformten.
»Wir haben es fast geschafft; oh, du verfluchter Bastard! Wie konntest du mir das nur antun, mich durch deinen Schwur an dich zu binden? Am liebsten würde ich dich umwerfen, sodass du zersplitterst, und dann würde ich auf deinen Teilchen einen Freudentanz aufführen – aber ich kann nicht! Du hast mich reingelegt. Mich, den Kau!«
Gofannon – so hieß er doch, oder? – fühlte einen Tritt an der Nordseite, in halber Höhe seines Gesteinsrückens. Es tat nicht weh. Nichts tat mehr weh. Nur das Gehen und Denken, das störte ihn noch.
»Sieh her, was ich mache, wenn ich das Reich deiner Königin erreicht habe. Trau dich doch, mir dabei zuzusehen ...«
Müde öffnete Gofannon seine nutzlosen Augen. Die verschwommene Gestalt des Kau hüpfte aufgeregt vor ihm auf und ab, ließ dann die Hose herunter und urinierte auf den Boden. Zischend zerschmolz die Oberfläche; der Strahl des Kleinen hinterließ eine Narbe, ein Loch.
»Genau das werde ich tun, du erbärmlicher Kotzbrocken; weil du mich nicht davon abhalten kannst. All ihre Besitztümer werde ich unter Wasser setzen, werde zahllose Löcher in den Boden brennen, wie soeben! Weil du aufgegeben hast! Schau mir zu, wie ich jetzt davonmarschiere und dich im Stich lasse. Du allein trägst Schuld, wenn ich das deiner geliebten Königin antue.«
Der Kau, der sich bereits umgedreht hatte und im Begriff war, ihn zu verlassen, blieb plötzlich stehen. Langsam drehte er sich um und kehrte zu Gofannon zurück. Er spuckte ihm vor die Füße.
»Ich habe dich durchschaut, alter Gott. Jaja, mein kleiner Kopf ist noch ein wenig eingerostet vom langen Nichtdenken, aber endlich ist der Groschen gefallen. Jetzt ist mir klar, warum du wie
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