Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen - Themsen, V: Elfenzeit 3: Der Quell der Nibelungen
gekommen war.
In diesem Moment hörten sie einen neuen Schrei, einen hohen und gellenden, der sofort wieder erstarb. Pirx fuhr herum und starrte Grog mit großen Augen an.
»Banshee«, flüsterte er.
Grog erwiderte Pirx’ Blick mit einem Ausdruck zwischen Angespanntheit und Trauer.
»Nein«, flüsterte er. »Das war keine Banshee. Ich weiß, wie die klingen. Das war ein Mensch.«
Als Nina David rufen hörte, waren alle Bedenken wieder vergessen. Da war dieser seltsame Mann, der die Geschwister zu verfolgen schien, und irgendwo weiter vorne war David, der womöglich keine Ahnung hatte, was los war. Sie konnte nicht zulassen, dass er und Rian dem Fremden ahnungslos in die Arme liefen.
Sie sprang auf und rannte geduckt den nun freien Weg entlang in Richtung des Fackelscheins. Aus dieser Richtung war der Ruf gekommen, und da der Kapuzenträger zwischen den Bäumen genauso mit der Dunkelheit kämpfen musste wie sie zuvor, hoffte sie ihn auf dem Pfad zu überholen.
»David?«, rief sie halblaut, nachdem sie die Stelle passierte, an der zuvor der Mann im Kapuzenmantel gestanden hatte. »David? Rian? Wo seid ihr?«
Nach zwanzig Metern war sie weit genug den leichten Hang hinauf- und um die Ruhehütte herum gekommen, um die Leute zu sehen, die hier hatten feiern wollen. Auch sie schienen die Schreie gehört zu haben, das Ritual war unterbrochen. Zwei, die Nina für Hohepriester hielt, waren ein paar Schritte vor die anderen in Richtung Wald getreten. Drei andere hielten je eine von den Gartenfackeln, mit denen sie den Platz erleuchtet hatten.
Ein Hohepriester, ein bärtiger, dunkelhaariger Mann in mittlerem Alter, hätte unter anderen Umständen wie ein seriöser Bankangestellter gewirkt. Doch in der silberbestickten schwarzen Robe und mit dem Schwert in der Hand, das normalerweise auf dem Altar lag, strahlte er Macht aus. Herrschaft. Wie auch die eher zierliche blonde Frau neben ihm, deren schwarze Robe blutrot eingefasst war und in deren Hand ein schwarzer Dolch ruhte.
Für den Bruchteil eines Augenblicks irritierte Nina, wie anders dies im Vergleich zu den Ritualen, die sie damals mit ihrem Freund erlebt hatte, aussah. Doch dann kehrten ihre Gedanken wieder zu dem zurück, was sie hierher geführt hatte. Sie sah weder David noch Rian, also mussten sie woanders sein. Die junge Frau wandte sich um und ging ein paar Schritte zurück, den Blick auf den Waldrand geheftet.
»Sie suchen David und Rian?«, erklang unvermittelt eine angenehm sonore Stimme hinter ihr. Sie wandte sich um im Glauben, einer der Heiden sei ihr gefolgt.
»Ja. Wissen Sie vielleicht …« Das Lächeln auf ihrem Gesicht gefror, als ihr Blick auf die dunkle Gestalt hinter ihr fiel.
»Nein. Aber ich wüsste es allzu gerne. Und ich denke, Sie könnten mir bei der Suche nützen.«
Der Fremde trat auf sie zu und packte sie an beiden Oberarmen, ehe sie reagieren konnte. Eine Aura der Kälte schloss sich um sie, und dort, wo er sie berührte, kam es ihr vor, als müsse ihr Blut zu Eis gefrieren. Sie schrie auf, schmerzhaft hoch selbst für ihre eigenen Ohren, und ihr Schrei wollte nicht enden. Der Dunkle zog sie noch enger an sich, schloss seine Arme um sie, ohne dass sie sich auch nur mit einem Muskelzucken wehren konnte. Die Kälte kroch durch ihr Fleisch bis auf ihre Knochen, und die Luft in ihren Lungen verwandelte sich zu einem eisigen Hauch, der ihre Atmung erstarren und ihren Schrei ersterben ließ.
Ihr Blut schien zu stocken, ihr Herzschlag verlangsamte sich, während sie die ganze Zeit hilflos in die Dunkelheit unter der Kapuze starrte. Nur für einen Moment glaubte sie, ein paar Augen hell aufglitzern zu sehen. Dann sank sie in ein eiskaltes Nichts.
»Grog! Warte!«
Rian sprang auf und legte ihrem Bruder eine Hand auf die Schulter, ehe er hinter dem Grogoch hersprinten konnte.
»Nicht. Es hat keinen Sinn, einfach hinterherzurennen. Vielleicht ist es eine Falle.«
David runzelte die Stirn. »Willst du unsere Freunde einfach im Stich lassen?«
»Nein«, antwortete Rian mit einem leichten Kopfschütteln, »aber du weißt, wie die Dinge in Paris beinahe ausgegangen wären. Wenn der Getreue uns doch gefolgt sein sollte, müssen wir uns gut überlegen, wie wir uns ihm nähern.«
David zog seine leicht gekrümmte Klinge und wollte gerade etwas erwidern, als sie den hohen, schnell ersterbenden Schrei hörten.
»Jetzt warte ich nicht mehr«, zischte David und sprintete in Richtung der Quelle los.
Nicht willens, ihren Bruder alleine zu
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