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Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig

Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig

Titel: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Schartz
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er entkam.«
    »Ist das nicht nur Legende?«
    »Nein, Signorina.«
    Sanft glitt die Gondel die Häuserschlucht entlang. Hier war es nahezu finster, weil es keine seitlichen Wege gab. Nur ab und zu kreuzten sie eine beleuchtete Gasse. Die Hauswände waren alt und morsch, es roch nach Fisch und Schiffsdiesel. Der Kanal war bedrückend eng; die Barke hatte gerade so Platz, und je tiefer sie hineinfuhren, desto enger schienen die Häuser zusammenzurücken. Über den Dächern spannte sich der Sternenhimmel, doch keineswegs glitzernd, sondern matt und fahl. Hochnebel zog auf.
    Ich hätte das nicht tun sollen
. Nadja fühlte das Morbide der Stadt immer mehr auf ihr Gemüt drücken; dies war also die berühmte
tristezza
, der sich niemand mit einem Mindestmaß an Sensibilität entziehen konnte. An den gelegentlichen schmalen Rändern türmten sich Berge von Müllsäcken, und Nadja erinnerte sich, dass sie das schon den ganzen Tag gesehen hatte, selbst in der Nähe der Rialto oder des Markusplatzes. Müll und Verfall gingen einher mit der funkelnden Welt der Swarowskis und Muranogläser.
    Einige Häuser waren so schief, dass sie jeden Moment zusammenbrechen mussten. Verrostete Balkongitter und zugenagelte Fenster zeigten sich auf der abgekehrten Seite der Stadt, wohin sich kein Tourist verirrte. Und dann erreichten sie wieder die Brücken, und der Kanal öffnete sich zu einer größeren Passage, in der Gegenverkehr möglich war, viele Gassen abzweigten und ein Seitenweg entlangführte. Übergangslos.
    »Wir erreichen jetzt den Campo di Santa Maria Formosa«, sagte der Gondoliere und deutete nach rechts. »Einer der größten und schönsten Plätze. In den vergangenen Jahrhunderten fanden hier Theateraufführungen statt, Feste und sogar Stierkämpfe. Doch das ist lange vorbei, und abends findet sich hier zu dieser Jahreszeit meist niemand mehr ein.«
    Mitten auf dem Platz erhob sich eine frei stehende Kirche. Er war tatsächlich still und verlassen, obwohl es noch früh am Abend war, und dahinter ging es wieder in einen dunklen Kanal.
    Nadja hielt es nicht mehr aus. Abrupt sagte sie: »Halt, ich will hier aussteigen.« Sie konnte es nicht erklären, aber auf gar keinen Fall durfte sie mit der Gondel tiefer in die schmalen Kanäle vordringen. Ein so heftiger Widerwille überfiel sie, dass sich ihr der Magen umdrehte. Schlagartig, unvorhersehbar und vor allem nicht rational, aber es war nicht zu ändern. Der Kanal hinter dem Platz verwandelte sich vor ihren Augen in einen Schlund, der hinab in die Hölle führte. Wenn sie weiterfuhr, wäre es der Styx, und der Gondoliere würde sich in einen Fährmann verwandeln, der immer nur in eine Richtung fuhr, ins Reich des Todes. Und die Gondel war ihr Sarg.
    »Aber Signorina, es ist noch ein gutes Stück«, protestierte der Mann.
    »Egal«, unterbrach Nadja scharf. Der kalte Schweiß brach ihr aus. Dort vorn lauerte nicht nur das Reich des Todes, sondern der Tod selbst – oder einer seiner Handlanger. »Bitte anlegen, sofort! Ich bezahle auch den vollen Preis als Entschädigung.« Sie schloss kurz die Augen und tastete nach einem Halt, als der dunkle Kanal plötzlich auf sie zuraste, um sie zu verschlingen, in sich einzusaugen und mit sich fortzureißen.
    Der Gondoliere drehte sich zu ihr um und stockte. »Sie sind ja ganz blass, Signorina …« Dann weiteten sich seine Augen, als habe er plötzlich ein Gespenst gesehen. Er erschauerte und steuerte eilig die Anlegetreppe an. »Sie haben Recht, steigen Sie aus. Wir haben eine Grenze überfahren, hinter die ich nicht gehöre. Ich weiß nicht, wie Sie das gemacht haben, aber ich könnte gar nicht weiterfahren.« Er half Nadja aus der Barke.
    Als sie ihm die Geldscheine hinhielt, lehnte er entschieden ab. »Nein, Signorina. Ich kann das nicht annehmen. Ich weiß nicht, was passiert ist, aber Sie haben … etwas geöffnet, das geschlossen bleiben sollte. Befolgen Sie daher meinen Rat: Kehren Sie augenblicklich zu San Marco zurück und gehen Sie in die Basilika. Diese Kirche hier hat schon geschlossen, aber die Basilika hat heute Abend länger geöffnet.«
    »Warum?«, fragte Nadja verstört. Was hatte der Mann ihr angesehen? Wie konnte er spüren, was sie bewegte und ängstigte? Irgendwie hatte sie es auf ihn übertragen, denn sein Schrecken war echt. Umso bestürzender, dass er nicht einmal das Geld annehmen wollte.
    Der Gondoliere bekreuzigte sich. »Um zu beten, Signorina. Sie werden es brauchen.«
    »Gott hat damit nichts zu tun«, sagte

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