Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
Robert wäre bei ihr. Aber es war besser, auf Distanz zu bleiben, ihn aus der Schusslinie zu halten. Robert würde sie nur zusätzlich belasten, weil sie sich unweigerlich Gedanken über ihn machen würde. »Genug von mir«, sagte sie, um sich wieder zu fassen. »Wie weit bist du mit deinem Roman?«
»Ich komme sehr gut voran«, antwortete Robert mit jener tiefen Begeisterung des Autors, der völlig in seiner Geschichte versunken ist.
Damit konnte sie ihn erst recht nicht aus seiner Welt herausreißen. Trotzdem musste sie eine Sorge aussprechen. »Robert … hast du schon mal dran gedacht, dass die Begegnung mit Anne kein Zufall war?«
»Klar.«
»Und dass du ausgerechnet jetzt … deinen Roman anfängst, nach all den Jahren …«
»So ungewöhnlich ist das nicht, Nadja. Bedenke, was wir alles erlebt haben. Unser Dasein wurde auf den Kopf gestellt und hat uns völlig aus der Bahn geworfen. Das war genau der Anstoß, den ich gebraucht habe.«
Nadja zögerte. »Aber wenn du dir schon Gedanken gemacht hast … was wirst du tun?«
»Nichts«, antwortete Robert. »Anne ist meine Muse, und egal wie, ich werde das jetzt zu Ende bringen. Und ich … ich habe mich ernsthaft in sie verliebt. Ich will sie nicht verlieren, nicht so schnell.«
»Robert …«, flüsterte Nadja. »Genau darauf könnte sie es doch anlegen, wenn der Getreue …«
»Hör auf, ich bitte dich! Zum ersten Mal seit dem Tod meiner Frau und meiner Tochter bin ich wieder glücklich. Ich trinke nicht mehr, rauche kaum noch, und ich habe keine Alpträume. Ich trage sogar ein neues Outfit und habe meine Frisur in den Griff bekommen.«
»Tut mir leid.« Sie fing wieder an zu weinen. »Aber wenn dir was passiert, könnte ich es mir nie verzeihen.«
»Mir passiert schon nichts«, sagte er beruhigend, und sie glaubte ihn durchs Telefon lächeln zu sehen. »Mein Verstand ist so klar wie schon lange nicht mehr. Ich bin sicher, dass Anne ein undurchsichtiges Spiel treibt. Auf keinen Fall ist sie das, was sie vorgibt zu sein, dafür weiß sie viel zu viele Dinge. Aber vielleicht kann ich sie ja bekehren? Ich sehe das durchaus als Herausforderung an. Warum müssen wir immer reagieren? Ich versuche, den Spieß umzudrehen, und werde alles daransetzen, sie von ihrem Auftrag abzubringen, sollte sie einen haben. Anne ist eine wirklich erstaunliche Frau, Nadja, und nicht alles an ihr ist gespielt. Und sie … schenkt mir Erfüllung. Ich will dieses Glück nicht gleich wieder zerstören. Außerdem habe ich wahrscheinlich sowieso keine Chance, ihr zu entkommen. Sie hat mich voll in der Hand.«
Nadja dachte an den Getreuen und schwieg.
»Geht es dir besser, Liebes?«
»Viel besser. Ich sehe wahrscheinlich furchtbar aus, aber es hat gut getan, alles rauszulassen.«
»Siehst du. Dann geh jetzt nach Hause und rede mit deinem Vater. Schieb es nicht auf, denn jetzt bist du stark. Morgen vielleicht nicht mehr.«
»Versprochen, Robert. Ich werde ihn dazu bringen, mir Antworten zu geben. Achte auf dich, ja?«
»Pfadfinderehrenwort, Nadja. Und halt mich auf dem Laufenden. Ich könnte mir ebenso wenig verzeihen, wenn dir was zustoßen sollte.«
Nadja lachte trocken. »Ich bin zur Hälfte Elfe, schon vergessen? Ich halte mehr aus als andere.« Sie stieß einen bitteren Laut aus. »Jetzt weiß ich wenigstens, warum ich noch nie in meinem Leben krank war.«
»Na, wenigstens schnarchst du wie ein Mensch«, lachte Robert und trennte die Verbindung, bevor sie etwas erwidern konnte.
Als Nadja Rialto erreichte, wurde sie völlig von den Menschentrauben überrascht, die hier unterwegs waren. Auf der Brücke standen Leute, und einer schrie irgendetwas in die Menge herab, die johlend applaudierte. Erst nach einer Weile erkannte Nadja, dass es sich um ein Hochzeitspaar handelte und der Bräutigam eine Ansprache hielt. Die Hochzeitsgäste standen auf dem ganzen Platz verteilt, mit Schaulustigen vermischt, jedoch gut zu unterscheiden. Was hier an Kleidung und Schmuck zusammenkam, ging preislich in die Millionen. Pinguine in Livree liefen herum und reichten Champagner, aber auch dampfende Becher für die Verfrorenen, wahrscheinlich Glühwein. Ehe Nadja sich versah, drückte ihr jemand im Vorübergehen einen solchen Becher in die Hand.
Die Gäste gerieten zusehends in Begeisterung, während die Rede voranschritt, und Nadja wagte sich näher heran. Zwischendurch nippte sie; es war tatsächlich heißer Punsch und er tat sehr gut. In der Aufregung war es Nadja nicht aufgefallen, dass
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