Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
bekommen.«
Casanova zupfte an seinem Rüschenhemd. »Mädchen, willst du wirklich ganz allein nach Tramonto?«
»Es geht nicht anders.« Nadja nickte. »Aber in Gesellschaft befinde ich mich trotzdem. Und das werden doch nicht alles Vampire oder so etwas sein … Oder?« Auf einmal war sie sich da nicht mehr so sicher.
Byron verneinte. »Sie sind Menschen, du kannst beruhigt sein. Aber … wenn du drüben bist, auf der Insel, bist du auf dich gestellt. Wir können dir nicht helfen.«
Nadja hatte es befürchtet. »Ihr könnt nicht dorthin«, sagte sie ruhiger, als sie sich fühlte. »Der Tod darf die Insel nicht betreten.«
»So ist es. Ein Bann liegt über der Insel, der die Anwesenheit von Toten nicht gestattet.«
»Das ist nicht so schlimm, ihr habt ohnehin so viel für mich getan. Der Hinweis mit dem Goldmacher, die Bleikammern …«
»Das freut mich sehr«, bemerkte Casanova strahlend. »Bin ich wenigstens wieder einmal von Nutzen und fast so etwas wie ein Spion, wie einst für die venezianische Staatsinquisition.«
»Und darauf sind Sie stolz, mein werter Freund?«, fragte Byron erstaunt.
»Nun ja, ich hatte meine eigene Weise, die Aufgaben auszulegen.«
»Allzeit bereit«, sagte der Dandy mit breitem Grinsen, wurde aber schnell wieder ernst. »Nadja – gib auf dich acht. Finstere Mächte sind am Werk, die die Grundfesten der Welten erschüttern wollen – aller Welten. Auch deshalb sind wir hier, denn es gibt nicht viele, die sich dagegen stemmen. Wenn es dir nicht gelingt, sie aufzuhalten, wird alles untergehen.«
»Etwas Ähnliches habt ihr mir das letzte Mal auch schon gesagt«, stieß Nadja betroffen hervor. »Es kann nicht euer Ernst sein, dass alles von mir abhängt!«
Casanova schüttelte den Kopf. »Das tut es auch nicht. Es sind die Zwillinge. Ihnen darf nichts geschehen, bis sie ihre Bestimmung erfüllen.«
»Bestimmung? Was für eine? Wann?«
Aber die beiden Geister waren schon wieder im Nebel verschwunden.
Byron und Casanova waren zufrieden mit sich. Es war angenehm, wieder einmal in der Welt der Menschen auftreten zu können – und dann auch noch gesehen zu werden, eine Unterhaltung zu führen, ganz wie im früheren Leben. In diesen Zeiten gab es nicht mehr viele, die dazu fähig waren.
»Ich glaube, wir haben ein gutes Werk getan«, bemerkte der italienische Schwerenöter, während er seinen Gehstock umherwirbelte.
»Ja, es ist eine angenehme Abwechslung«, stimmte der grimmige Lord zu, dessen Miene ausnahmsweise einmal aufgehellt wirkte.
»Die Maid gefällt mir.«
»Und mir erst.«
»Hätten Sie Lust auf ein kleines Duell, in Erinnerung an alte Zeiten?«
»Ich bin nicht gut darin, mit meinem Fuß.«
»Und ich bin alt und rheumakrank. Nun kommen Sie schon! Was haben Geister sonst für Freuden?«
»Wo kommt ihr her, wo geht ihr hin?«, erklang in diesem Augenblick eine fremde Stimme, und ein dunkler Schatten kroch über den Weg und wuchs in die Höhe. Die Stimme klang wie das heisere Zischen einer erkälteten Schlange.
Die beiden Geister erschraken und blieben stehen. Unsicher sahen sie zuerst sich an, dann auf die große finstere Gestalt, deren Kapuzenumhang vollständig das Äußere verdeckte.
»Meiner Treu …«, stieß Casanova hervor.
»Nein«, keuchte Byron. »Der Getreue. Ihr seid es, nicht wahr? Ich hörte schon von Euch, doch wähnt man Euch im Exil im Schattenland.«
»Ich war nie im Exil, gleichwohl bin ich öfters im Schattenland zu Gast «, antwortete der Verhüllte.
»W-w-worum geht es hier?«, stotterte Casanova zitternd. »Wer ist der finst’re Gesell?«
»Ich sah ihn das erste Mal, als Nadja uns um Hilfe bat, doch ich hörte schon vorher viel von ihm.« Byron zog düster die Augenbrauen zusammen. »Wie könnt Ihr unsere Spur finden?«
»Ihr könnt mich sehen und ich euch.« Der Verhüllte trat einen Schritt näher auf sie zu.
Die beiden Geister drängten sich unwillkürlich aneinander, bis Byron wütend sagte: »Was sind wir doch für Memmen! Wir haben keine Stofflichkeit, und er ist kein Geist; er kann uns nicht packen.«
Die Hand des Getreuen schoss vor und legte sich an Casanovas Kehle.
Der stieß ein leises Quieken aus: »Er kann’s, er kann’s, das müssen Sie mir glauben, Freund. Und er ist kalt, bei meiner Seel’, schauriger noch als der Gottseibeiuns!«
»Lasst ihn los«, sagte Byron mutig. »Ihr könnt nicht töten, was nicht lebt, und unsere Seelen sind unantastbar.«
Der Getreue ließ Casanova los, der sich schlotternd an Byron
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