Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
meines Vaters, von mir wissen? Oder wäre ich aus der Erinnerung fort, gelöscht, als hätte es mich nie gegeben …
Und Rhiannon …
Schwester
, flüsterte Dafydd in Gedanken.
Was wird aus dir, wenn ich nicht mehr bin? Werden wir uns in Annuyn begegnen? Werden wir uns erinnern? Können wir die Einsamkeit teilen?
Dafydd von den Sidhe Crain lag still.
Die Ketten schwiegen.
9 Maskenball
Die Insel war so klein, dass man vom Pier aus rundum die Uferlichter sehen konnte, die Trennlinie zwischen Land und Meer. Soweit Nadja es erkennen konnte, war alles als Park gestaltet worden, mit lichtem Baumbestand und wenigen Büschen. Der Palazzo lag in seinem Zentrum. In sämtlichen Bäumen schimmerten Lichterketten, der Hauptweg war mit Planen überdacht, von denen herab phantasievolle Lampions in Form von Drachen, Löwen und Einhörnern hingen. Auch die Wege durch den Park waren beleuchtet, und viele Paare flanierten auf ihnen entlang. In einem Pavillon in einem künstlich angelegten See spielte eine Kapelle klassische Weisen. Die Musiker trugen Kleidung nach Art des Rokoko. Durch eine teure Verstärkeranlage war ihre Musik bis zum Pier klar zu hören.
Nicht einmal auf der Hochzeit gestern hatte Nadja so viele Pelze und Diamanten gesehen, und dazu die erlesensten Outfits. Sie kam sich jetzt eher schäbig und billig vor, obwohl sie sich zuvor so sehr über ihr Kostüm gefreut hatte. Aber es war klar zu sehen, dass sie nicht hierher passte. Es war schon richtig, dass sie das Gewand der komödiantischen Magd trug. Sie konnte sich nicht so bewegen wie diese Leute, diese gezierten Gesten hatte sie nicht drauf, und noch weniger das perlende Lachen. Und natürlich hing nichts von Wert an ihr herum. Selbst die Masken der Damen glitzerten und funkelten vom Besatz echter Steine, vom Schmuck ganz abgesehen.
Aber das war es nicht allein. Nadja hatte noch nie so viele schöne Menschen auf einmal gesehen, obwohl sie auf einigen Galas gewesen war, mit perfekt modellierten Körpern und fein geschnittenen Gesichtern. Models, Schauspieler, Adel; wer wusste schon, wer sich hier alles tummelte. Mit Robert an ihrer Seite war Nadja nie so extrem aufgefallen, welche Unterschiede zwischen ihrer Welt und dieser hier bestanden. Sie hatte schon öfter über solche Ereignisse berichtet, doch mehr aus der Distanz, von einer höheren Warte aus, wie ein Zuschauer vor dem Fernseher.
Doch diesmal trug auch sie Kostüm und Maske und musste sich unter die Menge mischen, um etwas über David herauszufinden. Nur seinetwegen war sie hier, und das entfernte sie von ihrer Professionalität.
Ein Filmteam war auch da, wie Luigi Valderi es vorausgesagt hatte. Nacheinander wurden die Reichen und Prominenten interviewt, wobei Nadja feststellen musste, dass sie überhaupt niemanden kannte. Alle Gäste mussten aus der unmittelbaren Umgebung Venedigs kommen oder konnten nur national bekannt sein.
Langsam bewegte Nadja sich auf den Palazzo zu. Überall schwirrten weiß livrierte Kellner herum, mit Getränken und Platten, und Nadja schaffte keine zehn Meter, ohne etwas zu essen oder zu trinken gereicht zu bekommen. Der Service klappte perfekt, das musste man dem Conte lassen. Die Kellner trugen Masken, sodass Nadja nur wenig aus ihren Gesichtern lesen konnte; aber sie hatte den Eindruck, als ob alle den gleichen teilnahmslosen Ausdruck zeigten. Absolut distanziert und reglos. Auf Galas knüpfte sie immer Gesprächsfäden mit den Serviceleuten, weil sie so eine Menge Hintergründe und Klatsch erfahren konnte. Ein wenig Trinkgeld, und die meisten wurden gesprächig. Manche freuten sich auch, überhaupt bemerkt zu werden. Hier aber scheiterte Nadja kläglich. Kein einziger Ton war den Kellnern zu entlocken. Schweigende Pinguine. Der Mund war zwar nicht zugenäht, aber vielleicht hatten sie keine Zungen mehr.
Hör auf mit solchen makabren Gedanken, das führt zu weit!
Nadja schätzte, dass mindestens zweihundert, wenn nicht dreihundert Gäste anwesend waren. Die Hochrechnung ergab sich aus dem munteren Treiben, das hier draußen in der nebligen Kälte stattfand; wie mochte es da erst im Palazzo zugehen! Zweifelsohne war dies ein ganz großes gesellschaftliches Ereignis, auf dem niemand fehlen durfte, der Rang und Namen hatte. Obwohl alle Gäste handverlesen waren und nicht jeder auf eine Einladung hoffen durfte, kam immer noch eine stattliche Anzahl zusammen.
Der Palazzo sah genauso protzig aus, wie Nadja ihn sich vorgestellt hatte. Ein großer, mit vier Türmen und
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