Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
Lieferantenausgang?«, flüsterte sie der jungen Frau hektisch zu.
Sie war sofort im Bilde. »Dein Liebhaber?«
»Schlimmer: Mein Mann …« Mein Vater konnte sie mit ihren fünfundzwanzig Jahren nicht mehr sagen, das wäre zu peinlich gewesen.
»Komm.«
»Arrivederci, Sign-«, fing Luigi an, da stürzte Nadja zusammen mit Alba in die verkehrte Richtung davon.
»Ich muss weg, auf Wiedersehen, bis morgen!«
»Ehemänner sind alle stupido«, zischte Alba, während sie hastig durch ein Labyrinth aus Kleiderständern liefen. »Ich habe auch so einen langweiligen Deppen daheim, der einem kein bisschen Vergnügen gönnt!« Sie zeigte Nadja den Hinterausgang. »Viel Spaß, Süße!«
Kurz darauf wurde Nadja vom Nebel verschluckt. Es war bereits fast dunkel, und sie musste sich beeilen, um rechtzeitig am Anleger zu sein. Im Schutz des Nebels huschte sie nicht weit von Fabio entfernt in Richtung Rialto. Er betrat gerade den Laden, und Nadja mochte jetzt nicht in Luigis Haut stecken. Zum Glück hatte sie bar bezahlt, damit nirgendwo ihr Name verzeichnet wurde.
Schlimmer, als wenn ich vor dem Getreuen davonlaufe
, dachte sie mit einem seltsamen Anflug von Galgenhumor.
Mit einem traghetto wäre es bequemer gewesen, aber natürlich fuhren sie bei dem Wetter und dem geringen Verkehr nicht. Nadja hastete fluchend über die Rialtobrücke, die sie bereits bis oben hin satthatte. Kein Wunder, dass Mutter nach ihrem Heiratsantrag nie mehr hierhergekommen war! In ihrem ganzen Leben war Nadja nicht so viel zu Fuß unterwegs gewesen wie in Venedig, nicht einmal in den Bergen. Sehnsüchtig dachte sie an den Komfort der Metro in Paris.
Das Haus will ich nicht, und Venedig will ich auch nicht
, entschied sie, während Seitenstechen sie quälte, eine Blase an der Ferse brannte und das Kleid wie ein zwanzig Kilo schwerer Sack an ihr hing. Vermutlich waren Frisur und Make-up ruiniert, noch bevor sie Tramonto erreichte.
Doch dann kam der Markusplatz in Sicht, eingehüllt in dicken Nebel. Still und dunkel schien die Basilika vor sich hinzuträumen. Als das Licht goldene Ringkreise in den Nebel streute, war Nadja schnell wieder versöhnt. Erst einmal der
tristezza
hingegeben, konnte sie dieser Stimmung etwas abgewinnen und empfand den Platz sehr viel romantischer als bei klarem Wetter. Das mochte auch daran liegen, dass so gut wie keine Leute unterwegs waren, gewiss eine Seltenheit. Die beiden Säulen schälten sich durch den Nebel, und dahinter konnte Nadja schon die sich allmählich dem Meer öffnende Lagune erahnen.
Langsam, tief einatmend, schlenderte sie über den Platz und bedauerte, dass niemand sie fotografieren konnte – bestimmt war sie momentan ein sehr malerischer Anblick, im mittelalterlichen Kostüm der Colombina auf dem altehrwürdigen Platz im grauen und goldenen Nebel. So könnte ein Film anfangen. Horror, natürlich, oder mindestens ein Thriller.
Nadja dachte mit wohligem Schauer an Dracula und den Vampir Lestat und erschrak fast zu Tode, als plötzlich zwei Gestalten aus einem Lichtkreis auf sie zutraten. Dann stieß sie den angehaltenen Atem erleichtert aus.
»Byron! Casanova! Ich hätte mich fast mit einem Herzinfarkt bei euch eingereiht!«
»Hast du uns etwa nicht kommen hören, meine Teure?«, fragte Casanova schmunzelnd. Byron nickte ihr lediglich kurz zu.
»Werdet ihr von jemandem geschickt?«, fragte Nadja, die nicht recht wusste, wie sie die beiden begrüßen sollte. »Wie gehts« fand sie irgendwie nicht angebracht.
»Wer sollte das sein?«, stellte Byron eine Gegenfrage.
»Keine Ahnung, ich kenne mich noch nicht sehr gut in magischen Dingen aus.«
»Und du hinterfragst immer alles, ist es nicht so, Täubchen?«, stellte Casanova fest. »Du musst für alles einen Grund kennen.«
»Das Motiv, ja. Sonst erschließen sich mir die Zusammenhänge nicht.«
Byron stützte sich auf den Stock. »Die Welt der Toten ist geheimnisvoll, Nadja. Nicht einmal wir können sie vollends ergründen. Auf einmal sind wir hier und wissen, dass wir etwas erledigen müssen. Vielleicht löst du es selbst aus, durch irgendeine schlummernde Kraft in dir. Möglich ist aber auch, dass die magischen Strömungen höhere Wellen als normal schlagen, denn große Dinge geschehen, und alles ist im Umbruch.«
»Das glaube ich auch«, stimmte Nadja zu. »Ich habe keine Möglichkeit, mich da rauszuhalten, nicht wahr?«
»Eine seltsame Frage.«
»Ich … wollte nur eine Bestätigung für die Richtigkeit meines Handelns
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