Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig - Schartz, S: Elfenzeit 4: Der Löwe von Venedig
erstach ihn, weil mein Vater ihm angeblich einen falschen Rat gab!«
»Gerüchte, Piero. Ich war nicht dabei, aber du auch nicht. Dein Vater krepierte elend im Gefängnis und deine Mutter vegetierte im Kloster dahin. Ich sehe da kein schillerndes Paar, sondern zwei verpfuschte Leben, aus denen ein drittes erwuchs!«
»Immerhin legte er mir ein großes Talent in die Wiege«, versetzte der Conte. »Mein Vater galt als Betrüger, doch das war er nicht. Seine Fähigkeiten waren lediglich begrenzt, weitaus begrenzter als meine. Aber er vererbte mir Magie. Bei mir kam sie stärker zum Ausdruck als bei ihm, und ich verstand sie zu nutzen. Ich wurde 1769 geboren. Weil meine Eltern ständig auf Reisen waren, gaben sie mich 1770 zu Verwandten meiner Mutter in Venedig, die mich aufzogen.«
Nadja winkte ab. »Sie haben dich abgeschoben, Piero.«
»Na und? Ich erschuf mir mein eigenes kleines Königreich. Venedig war genau das, was ich brauchte. Bereits als Kind, mir noch unbewusst, sog ich Magie in mich auf, die überall aus den Gemäuern dringt.« Der Conte überging die Spitze in Nadjas Kommentar, als hätte er sie nicht gehört. Als hätte er es nicht nötig, darauf zu reagieren.
»Kennst du das Gerücht, nach dem Elfen einst den Grundstein legten, auf den die Römer das erste Gerüst stellten?«, fuhr er fort. »Ja, die Geschichte der ursprünglichen Siedlung reicht sehr weit zurück, noch vor Beginn der christlichen Zeitrechnung! Doch wegen des schwankenden Bodens, der symbolisch für den langsamen Zerfall des ganzen Reiches stand, hielten sich die wenigen Römer nicht lange, die Häuser gingen unter. Danach erst kamen die Veneter, und wieder waren ihnen die Elfen eine große Hilfe. Dieser Ort war von Anfang an magisch, ein Knotenpunkt aller Welten, und weil sie selbst die Tore in Anspruch nehmen wollten, unterstützten die Elfen den Bau von Venedig!«
»Ihr Antrieb«, sagte der Getreue langsam, »war die Hoffnung, dass sich die Welten einander wieder annäherten …«
Die dunklen Augen des Conte blitzten auf. »Sieh mal einer an. Du warst damals dabei, richtig? Nun, dass es schiefging, ist mir kaum anzulasten. Dass ich aber immer wieder Elfen fing und ihnen die Lebenskraft nahm: ja. Das gebe ich unumwunden zu. Und ganz ohne schlechtes Gewissen, denn mit uns verfahren sie nicht anders. Ist es nicht so, mein finsterer Freund? Leugne es nicht. Wie ich spüre, bist du einer von denen, die andere aussaugen, wie ein Vampir.« Er hob die Hände. »Das verrät mir eines meiner vielen Talente: Ich spüre Elfen auf und erkenne ihre Fähigkeiten. Dadurch kann ich sie in die eiserne Falle locken, aus der es kein Entrinnen gibt.«
Er breitete die Arme zu einer umfassenden Geste aus. »Als ich alt genug war, setzte ich die Studien meines Vaters fort, die er mir vor seinem Weggang hinterlassen hatte. Wir sahen uns nie wieder, das heißt, ich habe keinerlei Erinnerung an meine Eltern. Aber sie haben für mich gesorgt und mir die Möglichkeit gegeben, das Beste aus meinem Leben zu machen. Als ich mit dreizehn Jahren entdeckte, dass ich die Ley-Linien sehen und nutzen konnte, stand meine Zukunft fest. Auf Tramonto fand ich den besten Ort, um den Tod zu besiegen.«
»Aber zu welchem Preis!«, warf Nadja ein. »Du hättest so viel Besseres aus deinen Fähigkeiten machen können, aber du wurdest noch schlimmer als dein Vater! Er hat die Menschen manipuliert und ausgenutzt, aber niemals zu seinem Vergnügen gequält! Und er wird sich im Grab umdrehen, jedes Mal, wenn du ihm einen Toten hinterherschickst!«
»Ich erlaube dir nicht …«, begann der Conte, aber Nadja war nicht mehr zu bremsen.
»Du hast dich selbst auf der Insel eingesperrt. Nur kurz kannst du sie verlassen und musst immer zurückkehren, bevor der Alterungsprozess einsetzt. Und warum? Um ewig zu leben! Du und deine Freunde seid Gefangene und langweilt euch zu Tode, das hat euch wahnsinnig gemacht. Kein Wunder, wenn man auf einem Stück Land sitzt, das kaum größer als ein Handtuch ist und das man in zehn Minuten umrundet hat! Was ist das nur für ein Leben?« Nadja hob den Arm. »Aber damit ist es jetzt vorbei! Deine Schreckensherrschaft endet noch heute Nacht, das schwöre ich dir!«
Der Conte kam die letzten beiden Stufen herab und lachte abfällig. »Mit euch beiden Jammergestalten werde ich leicht fertig.«
»Das glaube ich kaum«, fauchte der Getreue. Dann griff er mit rasender Geschwindigkeit an.
Aber der Conte hatte damit gerechnet oder es rechtzeitig
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