Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches - Schartz, S: Elfenzeit 5: Schatten des Totenreiches
Sauerstoffs – immerhin gab es davon in Annuyn genug, auch wenn das ein wenig widersinnig sein mochte. Aber möglicherweise brauchten selbst Schatten Luft, um bestehen zu bleiben.
Und Monster wie dieses Albtraumwesen, das sie verschlingen wollte.
Lange konnte sie es nicht mehr durchhalten. In ihren Ohren pfiff es, das Schattengewebe schnürte sie ein, und ihre Kehle brannte.
Endlich ließ das Monster von ihr ab und trottete unzufrieden zum Fluss zurück. Nadja stieß den angehaltenen Atem aus, doch ihr Schatten schnürte sie immer noch zu. Wild ruderte sie mit den Armen, strampelte mit den Beinen, bis er endlich von ihr wich. Mit einem pfeifenden Geräusch sog Nadja Sauerstoff in ihre Lungen, vor ihren Augen flimmerte es. Sie merkte, wie der Kater angeschlichen kam und mit rauer Zunge über ihre Wange leckte.
»G-g-gleich«, stieß sie röchelnd hervor. »Nur ein bisschen ...«
Wenigstens kam das Wesen nicht zurück, um sein Werk fortzusetzen. Nadja schaffte es, sich aufzurichten, und rieb sich die schmerzende Kehle. Mehr denn je sehnte sie sich nach einem Schluck Wasser. Sie konnte nicht mehr lange durchhalten, dieses Reich forderte ihr alles ab. Sie gehörte nicht hierher;
noch
nicht. Das konnte sich ändern, je mehr von ihr schwand.
Auffordernd tupfte der Kater sie mit einer Pfote an und stolzierte mit hochgestelltem Schwanz tiefer in den Wald hinein. Nadja blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Wenigstens war ihre Kleidung wieder trocken – wenn sie denn jemals wirklich nass gewesen war und nicht nur die Einbildung eines Schattens.
Auf dem weichen, moosigen Boden des Waldes lag kein Laub, obwohl einige Bäume kahl waren. Die meisten aber trugen Blätter in allen Grauschattierungen. Wohin führte der Kater sie?
Als sie auf eine Lichtung kamen, sah Nadja einen großen grauen Wolf. Zu Tode erschrocken, fuhr sie zusammen. Der Kater allerdings lief freudig miauend auf ihn zu und strich ihm um die Beine.
»Also das habe ich noch nie erlebt ...«, entfuhr es der jungen Frau.
»Es ist auch kein Erlebnis«, versetzte der Wolf. »Schließlich sind wir hier im Totenreich.«
Nadja schluckte. »Und ... was bist du für einer?«
Der Wolf bleckte die Zähne zu einem Grinsen. »Isegrim«, antwortete er.
Da musste sie lachen. »Aber ja, natürlich. Ich bin aber nicht Rotkäppchen.«
»Damit habe ich nichts zu tun«, bekräftigte er. »Das habt ihr Menschen aus mir gemacht.«
Nadja ging langsam näher. Der Kater saß zwischen den Vorderpfoten des Wolfes. Vorsichtig streckte sie die Hand aus und berührte sein Fell. »Du bist kein Schatten.«
»Ich bin ja auch nicht tot«, erwiderte Isegrim. »Ich bin das, was man einen Aspekt nennt. Und statt im Elfenreich lebe ich eben hier. Das macht keinen Unterschied für mich.«
»Ich würde mich langweilen«, bemerkte Nadja und setzte sich neben ihn ins Moos. Die kleine Pause tat ihr gut. Und der Kater schien nicht weitergehen zu wollen.
»Ich bin überall«, schmunzelte der Wolf und hockte sich auf die Keulen. »Wenn ich will, begleite ich ein Rudel in deiner Welt auf der Jagd.«
Nadjas Finger glitten durch seidiges schwarzes Katzenfell. »Und wieso hängt er so an dir?«
»Wir sind irgendwann Freunde geworden, er und ich. Ich glaube, er stammt aus Ägypten. Und ich ... nun, ich mag Katzen sehr gern, auch wenn man mir das Gegenteil nachsagt.«
»Wir wissen ja offensichtlich auch nichts von dir.« Nadja rieb sich grübelnd die Nase. »Wieso hilft der Kater mir?«
»Vielleicht hat ihn Bastet geschickt, wer weiß? Die Tochter des Herrn von Earrach ist nicht einfach irgendwer. Wir alle haben Anteil an diesem ruchlosen Mord genommen, der sämtliche Gefilde erschütterte.«
»Darby ist entkommen«, zischte Nadja. »Er beging in einer einzigen Stunde so viel Verrat, dass nicht einmal der Getreue mehr begriff, was vor sich ging. Zuerst sagte er, er helfe uns, dann erwischte er Rian statt David und ... zeigt keinerlei Reue!«
»Er wird bezahlen wie jeder«, sagte Isegrim leichthin.
»Wichtiger ist es mir, Rian zu finden und nach Hause zu bringen«, sagte Nadja zögernd. »Und zwar, bevor ich verdurstet und verhungert bin.«
»Leider kannst du hier nichts zu dir nehmen. Du lebst, und alles hier sind nur Schatten. Keinerlei Nährwert für dich, verstehst du? Nicht einmal das Wasser würde deine Lippen benetzen.«
»Ich verstehe.« Diese Aussichten boten wenig Anlass zur Zuversicht. Nun war es ein zweifaches Wettrennen gegen die Zeit. »Wird der Kater Rian
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