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Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele

Titel: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele - Thurner, M: Elfenzeit 6: Die wandernde Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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begnügte mich damit, sie zu verletzen. Jeweils ein Stich in die Oberarme und in die Kniekehlen reichte, um sie laut aufschreiend zu Boden zu schicken.
    »Und jetzt zu uns!«, sagte ich zu Giacomo, der mich entsetzt anstarrte. »Pack deine Sachen und lasse dich niemals mehr hier blicken. Deine Kumpane nimmst du mit. Ein Feldscher soll sich um sie kümmern. Ich bin mir sicher, dass sich in deinen Taschen ausreichend Silberstücke finden, um ihn zu bezahlen.« Ich ließ ihn stehen und verließ den Raum, ohne mich umzudrehen.
    Mehr als zwanzig Personen hatten sich in der Vorhalle eingefunden. Unter ihnen der Hausmeister, der mir die Tür geöffnet hatte, dazu drei weitere grobschlächtige Burschen, deren Gesichter mir keineswegs gefielen, und mehrere Frauenzimmer, die demselben Menschenschlag anzugehören schienen.
    Nacheinander deutete ich auf drei Mädchen, eine alte Vettel und einen kleinwüchsigen Kerl, die ich mit meinem wiedererwachenden Elfensinn als halbwegs brauchbar ausfilterte. »Ihr dürft bleiben; alle anderen haben das Haus noch in dieser Stunde zu verlassen. Wenn ihr etwas vorzubringen habt, tut es jetzt. Dies ist eure einzige und letzte Chance. Wenn nicht – verschwindet!«
    Das Haus leerte sich binnen Stundenfrist. Die Übriggebliebenen seufzten erleichtert auf, als das Gesindel die Casa verlassen hatte.
    »Und jetzt öffnet alle Türen und Tore!«, sagte ich und streckte wohlig die Arme in die Höhe. »Ab heute weht ein frischer Wind in der Ca’d’Oreso!«
    Ich war zu Hause angekommen.
    Der ewig grinsende Morocutti, der Dieb vom Fischmarkt, erwies sich als ausgezeichneter Bursche. Sein windiger Charakter und sein Geschick, Dinge zu hören, die ihn eigentlich gar nichts angingen, gereichten mir durchaus zum Vorteil. Binnen weniger Tage wusste ich mehr über Venedig und seine Herrschaftshäuser, als ich selbst in zehn Jahren geschafft hätte zusammenzutragen.
    »Keine Taschenziehereien mehr«, schärfte ich ihm ein, »und keine faulen Tricks! Ich erschlage dich ohnehin mit Zechinen und Dukaten. Du solltest es nicht mehr nötig haben, irgendwelchen Zusatzverdiensten nachzuhecheln.«
    »Ich tu’s ja nur, um in Übung zu bleiben«, sagte der Kleine. »Bei deinem übertriebenen Lebensstil schaffst du es nicht lange in Venedig. Wenn du einmal nicht mehr bist –
sobald
du nicht mehr bist«, verbesserte er sich selbst, »werde ich wohl wieder meiner alten Profession nachgehen müssen.«
    »Deine Anstellung bei mir könnte schon in den nächsten Sekunden ein Ende finden. Wenn du nicht augenblicklich schwörst, deine kleinen, geschickten Finger dort zu lassen, wo sie hingehören, sind wir geschiedene Leute.«
    Morocutti sah mich ernst und traurig zugleich an. Für einen Moment überlegte er, dann nickte er resignierend. »Also schön, alter Mann. Ich gehorche. Unter Protest. Denn die meisten dieser feinen Pinkel verdienen es nicht anders, als ausgenommen zu werden.« Und mit einem respektvollen Seitenblick in meine Richtung fügte er hinzu: »Anwesende sind selbstverständlich ausgenommen.«
    »Ich nehme dieses ... Lob dankend an. Und jetzt sieh zu, dass du so viel wie möglich über die Capullos herausfindest. Wie man mir sagte, ist der Patron des Hauses auf dem Sprung in den Großen Rat. Er muss außerordentlich begabt sein – oder seine Säckel so voll mit Gold haben, dass er es sich leisten kann, mit Bestechungsgeldern nur so um sich zu schmeißen.«
    Beim Großen Rat handelte es sich um eine nahezu geschlossene Gesellschaft. Die etwa vierzig venezianischen Adligen wurden dem Dogen zur Seite gestellt, um ihn zu beraten – und nötigenfalls auch zu kontrollieren. Seit Jahrhunderten stritten sich stets dieselben Familien um die einflussreichen Positionen; schließlich wurde aus ihrer Mitte in einem pompösen Akt stets der Doge erkoren.
    Mich amüsierten derartige Intrigenspiele stets. Die Menschen verkomplizierten einfache Dinge auf unnachahmliche Art und Weise. Der Kleine Rat kontrollierte den Großen Rat, die
sestieri
oder Dogenberater wiederum rekrutierten sich aus dem Großen Rat und waren dem jeweiligen Dogen am nächsten, der Senat, das Kollegium und der Rat der Vierzig waren weitere Vereinigungen in einem kaum durchschaubaren Geflecht aus Macht, Einfluss und Geld.
    »Nimm dich vor Tybaglio in Acht«, warnte ich Morocutti. »Ich traf ihn gestern in der Ca’d’Oro. Er ist ein mürrischer Herr, der keinen Spaß versteht, Und er scheint mich zu hassen, obwohl ich ihm keinen Grund dazu

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