Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
sich I 1 über Wasser und Eis, bis sie vom grauen Nebel verschlungen wurde. Vorsichtig und jeden Schritt austastend, bewegten sich die Zwillinge auf dem schmalen Streifen vorwärts, den der Rabengott für sie beschworen hatte. David ging voran, und die Sicherheit, die er in sich trug, seit er Odins Antwort erhalten hatte, wirkte wie ein Strahlen auf Rian.
Der Nebel kam.
Eng schlang Rian die Arme um ihren Körper und zog die Schultern hoch. So weit im Norden versagte jedes normale Futter und jeder Pelz. Die Kälte drang langsam bis auf ihre Knochen, und die Anstrengungen der langen Reise machten sich trotz der Erholungszeit während des Rittes bemerkbar.
Kleine Tropfen schlugen auf ihrer Haut nieder und benetzten ihre Wimpern wie Tränen. Sie blinzelte sie weg und wischte sich über das Gesicht, doch immer wieder sammelte sich neues Wasser, das nur durch ihre Körperwärme davon abgehalten wurde, auf ihrer Haut und in ihren Haaren zu gefrieren.
Sie zog ihren Mantel enger zusammen und ging mit gesenktem Kopf weiter durch das trostlose Grau, den Blick fest auf den Lichtpfad geheftet.
Es ist nicht nur die Kälte, die mir zu schaffen macht
, erkannte sie.
Seit Tagen ist alles nur noch weiß und grau, manchmal mit einem braunen Streifen. Dagegen war sogar das Unterland noch farbig.
Sie atmete ein, langsam, um der Luft Zeit zu geben, sich auf dem Weg in ihren Körper zu erwärmen. Alle Gerüche waren förmlich weggefroren, und nur die stechende Kälte war geblieben. Wann sie das letzte Mal einen Vogel hatte singen hören, wusste Rian schon nicht mehr.
Es war, als wären alle äußeren Sinneseindrücke langsam ausgewischt worden, um Blick und Gedanken nach innen zu zwingen – etwas, das Rian ganz und gar nicht behagte und das die wenigsten Völker der Anderswelt schätzten. Sie fragte sich, wie die Asen und die anderen Bewohner dieser nördlichsten Region Earrachs damit umgingen.
Nur langsam wurde ihr bewusst, dass die Eisschollen unter dem Pfad irgendwann während ihrer Gedanken an Farben, Düfte und Vogelgesang von einer durchgehenden Schneedecke abgelöst worden waren, die auf festem Boden liegen musste. Das Licht, auf dem sie über das vereiste Meer geschritten waren, sank auf eine ebene verschneite Fläche zu, die sich wie ein Weg zwischen leichten Erhebungen wand.
Harschiger Schnee knackte unter ihren Füßen, als sie die Brücke verließen. Rians Stiefel sanken tief ein. Unter dem nebelgedämpften Zwielicht leuchtete der Schnee in ungetrübtem Weiß, eine geschlossene und unberührte Decke, die das leicht ansteigende Land überdeckte.
Plötzlich blieb David stehen, und Rian wäre beinahe gegen ihn gelaufen. Mit gerunzelter Stirn schaute sie über seine Schulter hinweg. Als sie jedoch sah, was ihn hatte anhalten lassen, hielt sie den Atem an.
Der Nebel wurde vor ihnen lichter, und statt des eintönigen Graus von zuvor drangen Goldtöne in den Dunst und ließen ihn aufleuchten. Reflexe umspielten einen riesenhaften Baumstamm, dessen Wurzelansätze Rian wie Hügel vorkamen. Die dunkle Borke war mit Rissen zerklüftet, in denen Gebirgsbäche hätten verlaufen können, und von den wenigen Ästen, die zu erkennen waren, ehe der Stamm sich im Nebel der Höhe verlor, schien ihr jeder einzelne so groß wie das ganze Baumschloss der Sidhe Crain.
»Yggdrasil«, flüsterte Rian.
David nickte und legte den Kopf in den Nacken. »Ich frage mich, wie viel von dem, was wir hier sehen, wirklich ist und wie viel nur durch unsere Art erzeugt wird, Dinge wahrzunehmen, die eigentlich jenseits unserer Wahrnehmung liegen«, überlegte er.
»Zumindest liegt es dann ebenso jenseits des menschlichen Begreifens, sonst hätten sie den Baum wohl nicht in dieser Form in ihren Mythen.«
»Unser Begreifen ist also eingeschränkt.« Belustigt warf David seiner Schwester einen Blick zu. »Dass es den Menschen ebenso geht, tröstet mich nicht gerade über diese Erkenntnis hinweg.«
Rian lächelte. »Einen Versuch war es wert.«
David lachte auf und sah wieder in die Höhe, wo der Baum im hellen Dunst verschwand. »Es heißt, Yggdrasil verbinde Welten, und doch sind alle diese Welten auch wieder Teil entweder unserer Welt oder der der Menschen. Oder könnten wir noch mehr Welten über ihn erreichen? Ich frage mich, was die Asen darüber wissen.«
»Mehr, als sie uns erzählen, vermute ich. So, wie auch unsere Sippe ihre Geheimnisse hat.«
»Das wäre zumindest zu erwarten.« David senkte den Kopf und deutete nach vorne, wo der ebene
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