Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
Weg, auf dem sie gingen, genau unter den Bogen einer Wurzel führte. »Dort vorne entspringt der kalte Strom, auf dessen Eisdecke wir stehen – direkt unter der Wurzel, an der Nidhögg nagt. Und dort beginnt auch der Weg in Nidhöggs Unterwelt. Bringen wir unsere Aufgabe zu ihrem Ende.«
Felsdurchsetzte Erde und Lehm umgaben die Zwillinge auf dem ersten Teil des gewundenen Weges in die Tiefe. Von kleinen Stalaktiten und feinem Wurzelwerk, das in den Gang hineinragte, rannen Tropfen, die den Pfad glitschig und die Kleidung klamm machten.
Aber zumindest wurde es wärmer.
Eine Horde kleiner Lichtpunkte wirbelte vor ihnen durch das Dunkel, zwischen den Wänden hin und her zuckend wie kleine Blitze. David hatte sie aus einer Handvoll Schneeflocken erschaffen, und Rian fürchtete, dass sie bald vergehen würden. Es war bereits warm genug, um Wasser schmelzen zu lassen; sollte die Wärme noch mehr zunehmen, würde die Luft die geschmolzenen Flocken bald aufsaugen.
Der Abstieg wurde flacher, während die Erde von durchgehendem Fels abgelöst wurde. Allmählich wandelte der Gang sich zu einer Höhle, die ohne die vorherigen Windungen durch den Fels führte. Schillernde Gesteinsadern leuchteten zwischen dunkleren Schichten auf und warfen das Licht der herumschwirrenden Punkte zurück. Noch immer ging es leicht abwärts, und der Boden wurde unregelmäßiger. Im Gegensatz zum Gang schien diese Höhle einen natürlichen Ursprung zu haben.
In der Mitte der Höhle blieb David stehen und sah mit zusammengekniffenen Augen in das Dunkel jenseits des Scheins der Lichtpunkte. »Wir bewegen uns vom Stamm weg, vermutlich auf eine der Seitenwurzeln zu. Es scheint, als hätte auch Yggdrasil keine Wurzel direkt unter dem Stamm, sondern nur die seitlichen und deren Nebenwurzeln.«
Rian rieb ihre Hände, die trotz der zunehmenden Wärme immer noch kalt blieben. Es kam ihr vor, als wolle ihr Blut trotz ihres vor Anstrengung pochenden Herzens nicht recht in Bewegung kommen. Sie sehnte sich nach einem Kaffee.
»Denkst du, wir sind nahe bei Nidhöggs Lager?«, fragte sie.
»Könnte sein. Vielleicht gehört diese Höhle schon dazu.« David strich sich über die Stirn und seufzte. Oben hatte er auf Rian erholt gewirkt, doch langsam schien auch ihn die Erschöpfung einzuholen.
»Ich frage mich, ob wir uns nicht ein wenig Ruhe gönnen sollten, bevor wir Nidhögg gegenübertreten«, sagte er. »Ich bin müde und kann kaum meine Gedanken beisammenhalten. Schlechte Voraussetzungen, um aus einem Drachen etwas herauszubekommen.«
»Nicht zu vergessen, dass Odin etwas von Wächtern gesagt hat, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen«, fügte Rian hinzu und streckte sich. »Setzen wir uns da drüben auf die Felsen und machen eine Pause.«
»Das klingt sehr gut.« David taumelte fast vor Rian her zur Höhlenwand und sackte auf einen Felsen. Mit geschlossenen Augen atmete er mehrere Male tief durch.
Rian folgte etwas langsamer. Ihre Füße wurden schwer, und ihre Gedanken schleppten sich durch Hirnmorast. Seufzend sank sie ebenfalls auf den Boden und stopfte die Hände in die Taschen. Ein heftiges Stechen in ihrer Rechten ließ sie aufschrecken, und mit einem leisen Aufschrei zog sie die Hand wieder hervor.
Ein kleines pelziges Wesen tauchte aus ihrer rechten Jackentasche auf. Rian hatte das vage Gefühl, es zu kennen, konnte es aber nicht einordnen. Es fiepte protestierend und zeigte ihr ein paar scharfe Zähne. Dann schnüffelte es und gab einen hohen Wimmerlaut von sich.
»Nanu, was bist du denn?«, fragte Rian. »Und wie kommst du in meine Tasche?«
Doch im nächsten Moment erlosch ihr Interesse bereits wieder.
Ich kann später darüber nachdenken. Jetzt erst einmal ein wenig ausruhen
...
Mit halb geschlossenen Augen lehnte sie sich gegen den Fels und gähnte. Sie fand es putzig, dass das kleine Ding an ihrer Jacke hinaufkletterte und dabei ständig weiter hohe Fieplaute ausstieß. Selbst als es an ihrem Gesicht ankam und ihr ins Ohr quietschte, störte das Rian kaum.
»Süßes kleines Ding«, murmelte sie und streichelte über das Fell des Wesens. Ein Steinfresser, ja, das war er. Ein ... was? Sie hatte es schon wieder vergessen.
Das Wesen rollte an ihr herab, sprang weg und verschwand. Rian drehte den Kopf zu David. Seine Augen waren geschlossen, und erst jetzt fiel ihr auf, wie blass er war.
Ein unterschwelliges Gefühl der Gefahr nagte plötzlich an ihr.
Was wollten wir noch einmal hier? Es muss etwas Gefährliches gewesen
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