Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes - Themsen, V: Elfenzeit 7: Wächter des Weltenbaumes
nicht, wie viel Zeit ihm noch blieb, ehe die Möglichkeit vertan war, Odin seine eigene Frage zu stellen.
Was wirst du mit der Antwort anfangen
...
Wollte er die Frage wirklich stellen? Je mehr er darüber nachdachte, umso zerrissener wurde er. Welche Folgen mochte die mögliche Antwort haben? Was mochte sich ändern, falls ihm die Antwort nicht gefiel?
Seine Gedanken blieben im Widerstreit, bis eine große Insel vor den Reisenden auftauchte und Sleipnir langsam an Höhe verlor. Sie glitten dicht über mehrere Gebirgszüge dahin, während sie das lang gestreckte Land überquerten. Fast schon berührten Sleipnirs Hufe einen Bergkamm, ehe er dem sanft abfallenden Bogen des Gebirges zum nördlichen Meeresufer hin folgte und dort schließlich auf schneebedecktem Fels zum Stehen kam, der flach ins Meer hinaus auslief. Sleipnir schnaubte und kratzte mit dem Huf eines Vorderlaufes über das Eis, während nacheinander erst Odin und dann die beiden Elfen von seinem Rücken glitten.
David sah zurück in den Himmel, aus dem sie gekommen waren, und zuckte zusammen, als auf einmal zwei schwarze Punkte von dort zu ihnen herabfielen. Unwillkürlich wanderte seine Hand zum Dolch, doch die schwarzen Schatten erwiesen sich als die Raben des Asen. Sie umkreisten Odins Kopf und krächzten, doch er kümmerte sich nicht weiter um sie.
Stattdessen ging der Göttervater bis an die Wasserlinie und starrte hinaus auf das Eismeer. Die Zwillinge folgten ihm. Er streckte einen Arm aus und deutete nach Norden, wo dichter grauer Nebel das Meer verbarg.
»Dort liegt euer Ziel«, sagte er. »Der Nebel bedeckt die Weltenesche Yggdrasil. Ich werde euch noch den Weg öffnen, doch ab dann seid ihr auf euch selbst gestellt. Das Land, das ihr jenseits des Nebels vorfinden werdet, hat nichts mehr mit dem zu tun, was ihr hier seht. Also nehmt euch in Acht, denn dieser Gang ist nicht jedem bestimmt, und er ist voller Gefahren.«
»Wollt Ihr uns nicht begleiten?«, fragte Rian.
Odin schüttelte den Kopf und senkte den Blick auf seine Hände, die auf dem knorrigen Stock ruhten. Unter der dünnen blassen Haut war ein Netz blauer Äderchen zu sehen, das einer Landkarte alle Ehre gemacht hätte.
»Ihr habt es selbst gesagt. Dieser Weg ist für die Jungen, die Kraftvollen und Unverdorbenen, nicht für die alten Helden. Meine Bestimmung liegt in diesem Moment woanders. Ihr werdet einen anderen Weg zurück finden müssen, denn ich werde nicht mehr hier sein, wenn ihr euer Ziel erreicht.« Er atmete tief durch und hob den Kopf wieder. »Außerdem ist das Gewebe ohnehin schon zu sehr durcheinandergeraten. Ich halte mich lieber raus, solange mein Eingreifen nicht direkt erforderlich ist. Ich habe mein Opfer an der Esche bereits gebracht, um Wissen zu erlangen. Dieses Mal ist es die Aufgabe anderer.«
»Opfer?« David strich sich über den Nacken. »Ihr glaubt, wir werden ein Opfer bringen müssen?«
»Das Erlangen von Wissen erfordert immer Opfer. Selbst so junge Grünschnäbel wie ihr sollten das bereits am eigenen Leib erfahren haben. Wenn ihr nicht zu leiden bereit seid, um zu lernen, habt ihr das Wissen nicht verdient, das ihr sucht. Ich habe mein eigenes Blut gegeben und über eine Zeit an der Esche gehangen, die niemand gemessen hat, da Zeit damals noch ohne Bedeutung war. Dennoch kam es mir wie eine Ewigkeit vor. Aber so gewann ich meine Macht über die Elemente und die magischen Zeichen. So gewann ich meine Herrschaft.«
»Und war es das wert?«, fragte Rian.
Der Ase sah sie an und grinste plötzlich. »Jeden einzelnen Tropfen und jeden einzelnen Moment. Und sei es nur wegen des Skaldenmets oder der hübschen Frauen, die ich mithilfe meiner Magie verführen konnte. Aber das ist jetzt nicht mehr von Bedeutung. Ihr seid wichtig. Seid ihr bereit für den letzten Teil des Weges?«
»Ja«, antwortete Rian, doch David schwieg. Er kämpfte mit sich.
»Prinz Dafydd?«
»Bevor wir gehen ... Darf ich noch die Frage stellen?«
Odin schob den Hut nach hinten und sah David ernst an. »Ist die Antwort denn von Bedeutung für dich?«
»Ja, auf die eine oder andere Weise«, gestand David. »Auch wenn ich mich vor der Wahrheit fürchte.«
Der Gott musterte David. »Also gut. Allein dafür, dass du bereit bist, diesen Weg zu gehen, hast du die Antwort verdient. Stelle deine Frage.«
David schluckte. Sein Mund wurde trocken, und er spürte, wie sich etwas in seiner Brust zusammenzog.
»Das Kind... das Kind, das Nadja Oreso zurzeit erwartet ...« Erneut musste
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