Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
einschlugen und sie wegsprengten. Er war frei.
Mit den Füßen voran sauste der Getreue zu Boden und donnerte schwer auf das Gestein, das unter dem Aufschlag brach. Brocken spritzten unter den Stiefeln davon, und er ging in die Knie, sackte für einen Augenblick zusammen und versank halb in seinem Umhang, der sich schützend um ihn schlug.
Pirx robbte hastig zurück, und Grog tat es ihm gleich, doch sie kamen nicht weit. Noch bevor das letzte Kieselsteinchen zu Boden gefallen war, richtete der Getreue sich zu seiner vollen Größe auf und stieß einen triumphierenden Schrei aus. Die Feuchtigkeit am Felsen hinter ihm gefror, und das Licht des Leuchtmooses wurde stumpf, als habe sich ein Schleier darübergelegt.
Der Getreue bewegte sich auf die beiden Kobolde zu, die sich nicht mehr zu rühren wagten. »Das war an der Zeit«, zischte er mit der nur allzu bekannten schauerlichen Stimme, die das Blut in den Adern gefrieren ließ. »Ich habe eine Menge Dinge zu erledigen, die keinen Aufschub mehr dulden.«
»Und … und vorher wirst du uns töten, was?«, stammelte Pirx.
»Nicht jetzt«, sagte der Getreue. »Ich ahne, dass ihr beide auf die eine oder andere Weise eine wichtige Aufgabe vor euch habt. Deswegen schließen wir einen Handel: Ich lasse euch am Leben, und dafür werdet ihr etwas für mich tun, wenn es an der Zeit ist.«
»Darauf lasse ich mich nicht ein!«, rief Grog empört. »Womöglich soll ich einen Mord für dich begehen, meine Freunde verraten …«
»… oder auch nicht. Das ist eben das Risiko, das du eingehen musst.«
»Pah, was für ein Risiko denn?« Pirx stapfte wütend mit dem Fuß auf. »An dir ist doch nix Gutes dran!« Obwohl er es nicht sehen konnte, wusste er, dass der Getreue daraufhin breit grinste. Ein kalter Schauer lief über den Körper des Pixies.
»Also dann hast du all diese Mühen unternommen, um letztlich doch zu sterben, kleiner Kobold? Nur eben durch meine Hand, anstatt von Skylla verschlungen zu werden?«
Bevor Pirx zurückweichen konnte, packte der Getreue ihn und hob ihn hoch. Der Igel schrumpfte sichtlich zusammen und schlug vor Kälte und Angst schlotternd die Arme um sich. Der Mann ohne Schatten hatte ihn schon einmal beinahe zerquetscht, und daran erinnerte er sich nicht gern. Immer näher kam er dem finsteren Schatten unter der Kapuze, wo zwei eiskalt glitzernde Augen lauerten.
»Lass ihn los, du Unhold!« Grog wuchs über sich selbst hinaus und versetzte dem rechten Bein des Getreuen den heftigsten Tritt, zu dem er imstande war. Aber genauso gut hätte er gegen einen Felsblock treten können. Vor Schmerz schossen ihm Tränen in die Augen, und er hielt sich jammernd den Fuß.
»Du hast keine Ahnung«, wisperte der Getreue, und seine heisere, wie aus dem Totenreich hallende Stimme umwehte Pirx wie ein eiskalter Windhauch, »was ich dir alles antun kann, Pixie. Tausendfach schlimmere Qualen als Skylla.«
»D… d… dann tu’s doch!«, stieß Pirx bibbernd, aber tapfer hervor. »Wir … wir geben nicht nach! Richtig, Grog?«
»Richtig.« Der alte Kobold schluchzte.
»Ihr seid töricht«, sagte der Getreue knurrend. »Wenn ihr jetzt aus Sturheit den Tod wählt, seid ihr niemandem mehr von Nutzen. Aber die Zwillinge brauchen euch; sie haben euch eine Aufgabe gegeben, die ihr nach eurem Tod nicht mehr erfüllen könntet.«
»Dann treten andere an unsere Stelle!« Grog zog geräuschvoll die Nase hoch. »Wir sind allesamt entbehrlich.« Aus feuchten Augen blickte er zu dem Finsteren hoch, der wie ein Turm über ihm aufragte. »Die Menschen erzählen Geschichten, in denen Ehrgeizige ihre Seelen an den Teufel verkaufen, für irgendetwas, das sie unbedingt haben oder erreichen wollen. Der Handel bedeutet, dass alle ihre Wünsche erfüllt werden, aber dass sie nach dem Tod in die Hölle kommen und dort auf ewig Qualen erleiden. Du bist der Ursprung dieser Geschichten, richtig? Du bist es, den sie fürchten, egal unter welchem Namen du bei ihnen bekannt bist. Teufel, Devadatta, Iblis, Ahriman, Angat oder sonst wie.«
»Nein«, widersprach der Getreue. »Das ist nicht mein Prinzip. Vielleicht mögen die Regeln der Anderswelt eine Rolle gespielt haben, um das menschliche Prinzip des Bösen zu schaffen, als die Welten noch vereint waren. Doch mit mir hat es nichts zu tun.«
»Aber wer bist du denn dann?«, schrie Grog. Er war längst außer sich, am Ende seiner Kräfte.
»Was muss ich euch erklären, das ihr doch längst wisst?«, zischte der Getreue.
Unerwartet
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