Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
eine Liste gegeben, und sie hatten die Sachen darauf besorgt – ohne eine Miene zu verziehen.
Kreide, Ruß, Weihrauch, Anis, Basilikum, Koriander, Kardamom, Safran. Dazu diverse Öle, das mitgebrachte Flusswasser, einige Triskellbilder, die jeder Sizilianer im Haus hatte, und sei es nur im Wappen, Getreidebündel und, ja, einige Ziegenköttel. Und Salz, mindestens zehn Kilo. Sesta, die Fabio auf Schritt und Tritt folgte, sah ihm aufmerksam zu, während er Türen und Fensterrahmen mit einer Mischung aus Öl, Salz und Kräutern »behandelte«, hier und da Getreidehalme und die Bilder auf bestimmte Weise aufhängte und dergleichen mehr veranstaltete. Die Hündin nahm es ihm nicht sonderlich übel, als er ihr einige Schwanzhaare ausriss und diese ebenfalls an bestimmten Stellen drapierte.
Mit der Kreide malte Fabio dann Symbole auf die Fensterrahmen, die Nadja an Runen erinnerten. Gleichzeitig gab er seinen Schwiegereltern Anweisungen, wie sie die Möbel verrücken mussten, das Geschirr und frei hängendes Kochbesteck richtig anordnen und so weiter. Nonna und Antonio taten alles, ohne Fragen zu stellen, wie sie es versprochen hatten. Sie warfen sich nicht einmal vielsagende Blicke zu oder flüsterten miteinander. Nadja beobachtete das Geschehen interessiert, fand alles ziemlich abgedreht und schrullig, stellte aber ebenfalls keine Fragen.
Ganz zuletzt holte Fabio das Flusswasser, verteilte es auf kleine geschlossene Behältnisse und stellte sie zur Tür und an jeweils ein Fenster pro Himmelsrichtung. Dazu platzierte er winzige Spiegelscherben, vor die er Eisennägel legte. Nachdem er damit fertig war, rieb er sich die Hände und nickte zufrieden. »Da kommt kein Elf mehr rein, ohne eingeladen zu werden. Und auch kein sonstiges magisches Wesen, nicht einmal die Poltergeister.«
»Dann brauchst du in meinem Zimmer also keine Wache mehr zu halten?«, fragte Nadja erfreut.
»Das denkst
du
vielleicht«, antwortete er jedoch. »Ich gehe kein Risiko ein.«
»Ich wünschte, David wäre hier«, maulte sie.
»Ich auch«, sagte er. »Ich auch.«
Dann ging er zu Antonio in die Küche und lud ihn zu einer gemeinsamen Pfeife und Rotwein ein. Die Großeltern Oreso machten einen recht vergnügten Eindruck, ihnen schien das seltsame Zeremoniell Spaß zu machen. Bestimmt hofften sie darauf, dass sie eines nicht zu fernen Tages in alles eingeweiht würden. Während sie gemeinsam Kaffee kochten und Mandelplätzchen auf einen Teller richteten, nickte Natalia ihrer Enkelin schmunzelnd zu und zwinkerte: Sie würde sich gedulden – und damit hatte sie etwas, worauf sie sich freuen konnte.
Sicherlich war das die beste Abwechslung, die die beiden alten Leute seit Jahren gehabt hatten. Zwar waren sie in Sizilien viel besser aufgehoben als in München, aber so glücklich sie auch sein mochten, gab es in ihrem Leben doch nur wenig, was außerhalb der Norm war. Außer ein- oder zweimal im Winter, wenn sich die Himmelsschleusen öffneten und es tatsächlich regnete, schüttete, bis halbe Berge abgetragen wurden. Was nun jedoch seit einigen Tagen los war, würde genug Stoff für viele gemeinsame Abende in der Zukunft bieten, wenn sie das Haus wieder ganz für sich hatten.
Nadja hatte keinen Grund, sich unwohl zu fühlen, denn Letitia zeigte eine völlig neutrale Miene und war aus anderem Grund als einem Streit hier. »Gehen wir drei ein wenig spazieren«, schlug sie vor.
Über die Ziegenpfade schlenderten sie durch die Nacht. Die Steine waren so hell, dass sie genügend Mondlicht reflektierten, und nach einer kurzen Eingewöhnung fanden sich die drei Oresos abseits des künstlichen Lichtscheins gut zurecht. Unter ihnen breitete sich Richtung Meer eine Lichterflut aus: Straßenlampen an Wegkreuzungen, Gehöfte und Ortschaften. Zum Ätna hin war es stockfinster, nicht einmal mehr der unentwegte Rauch war zu sehen, auch kein dunkles Glühen am Krater. Sollte das ein Zeichen sein? Die Ruhe vor dem Sturm?
»Habt ihr etwas herausgefunden?«, fing Nadjas Mutter schließlich an.
»Wie es aussieht, weiß niemand, wo der Getreue ist«, antwortete Fabio. Er berichtete, was sie alles angeschaut hatten und zu welcher Begegnung es in der Gola dell’Alcántara gekommen war.
»Das heißt, wir haben noch nicht ganz verloren.« Letitia strich sich das Haar zurück. »Und was habt ihr jetzt vor?«
»Wir müssen in den Ätna und die Alte Stadt suchen«, sagte Fabio. »Hast du irgendeine Erinnerung an sie?«
Letitia überlegte. »Nicht bewusst«, sagte
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