Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
sie im Rucksack, dann war sie bereit zum Aufbruch. Der Sternenhimmel glitzerte über ihnen, als sich Vater und Tochter Oreso aus dem Haus schlichen, und die Luft war mild und roch nach Frühling. Sesta lag auf dem Fußabstreifer und klopfte mit dem Schwanz auf den Holzboden, als Fabio sie streichelte und dann über sie hinwegstieg. »Pass gut auf, mein Mädchen«, wisperte er ihr zu.
Auch Nadja ließ der Molosser-Hündin ein paar Streicheleinheiten zukommen, bevor sie Fabio folgte. Erstaunt sah sie, wie ihr Vater Letitias Wagen entriegelte und ihr zuwinkte. »Steig ein, schnell.«
Schweigend ließ sie sich neben ihm nieder, er startete und fuhr los.
Als sie den Weg hinunterholperten, fragte Nadja: »Wo ist Mama?«
»Schläft«, antwortete er knapp. »Ich habe gewartet, bis sie eingeschlafen war, und dann einen kleinen Bann über sie gelegt.«
»Dazu bist du in der Lage?«
»Nur einen ganz einfachen, wie ihn auch gut begabte Menschen, die sich auf Hypnose verstehen, beherrschen. Sie wacht nicht vor zehn Uhr auf, und das hat sie nötig. Dann habe ich ihr den Autoschlüssel geklaut und im Sessel gewartet, bis es an der Zeit war.«
»Ohne Schlaf.«
»Na ja, ein bisschen gedöst habe ich schon.«
Nadja rieb sich die sommersprossige Nase. »Mama wird dich umbringen wollen, sobald sie aufwacht und merkt, dass du sie reingelegt hast.«
»Ja, sehr wahrscheinlich.«
»Und wenn sie uns folgt?«
»Dann bringe ich
sie
um.«
Sie zweifelte nicht daran, dass er das in diesem Moment und im übertragenen Sinne ernst meinte. Seine Miene war entschlossen, fast finster. Für einen Moment huschte die Erinnerung an Fiomha den Elfen über sein Gesicht.
Andererseits konnte Letitia nicht viel unternehmen. Es dauerte noch, bis sie erwachte und Max aus dem Waisenhaus erschien, um sie abzuholen. Wenn sie sich dann endlich auf den Weg machten, hatten Fabio und Nadja schon einen so großen Vorsprung, dass sie kaum mehr eingeholt werden konnten. Hoffentlich hatte Letitia Fabios Warnung ernst genommen, laut der sie bei Verlassen des Hauses in großer Gefahr schwebte.
Fabio schien sich genau an den Weg zu erinnern. Zielsicher steuerte er die Straße nach Francavilla an. Der Himmel über ihnen wurde blasser, im Osten über dem Meer, das jetzt hinter ihnen lag, nahm er eine sanfte rosa Tönung an. Im Westen allerdings zogen Wolken auf.
Auf der Straße war so früh noch niemand unterwegs.
Nadja kämpfte eine Weile mit sich, dann wagte sie es. »Sag mal, darf ich dir eine indiskrete Frage stellen?«
Fabio lächelte. »Sicher. Ich muss sie ja nicht beantworten.«
»Nähert … ihr euch wieder an?«
»Hm. Das ist sehr schwierig, Nadja. War es immer.«
»Aber ich habe euch doch
gesehen
… eure wahren Gestalten …«
»Ja, in der Geisterwelt mögen wir fest verbunden sein. Aber wir sind Wesen aus Fleisch und Blut. Es ist … zwiespältig. Eben schwierig.«
»Und jetzt erst recht. Sie wird stinksauer sein, vor allem auf mich, weil ich einfach mitgemacht habe. Und überhaupt mitgegangen bin.«
»Aber sie wird sich auch beruhigen, wenn wir mit guten Nachrichten zurückkommen.«
Sie starrte aus dem Fenster. »Was willst du überhaupt tun? Ich meine, es ist doch lächerlich, nur wir beide …«
»Nadja!«, unterbrach er. Seine Stimme nahm einen eindringlichen Tonfall an. »Versteh doch. Das muss ich jetzt tun.
Wir
müssen es tun. Ich glaube, alles geht dem Ende entgegen, und nur wir können es aufhalten. Weil wir die sind, die wir sind. Ich kann es dir nicht anders erklären. Auf meiner Reise in die Vergangenheit habe ich erkannt, dass ich noch etwas zu erledigen habe, bevor ich Frieden finden kann.«
Sie zuckte zusammen. »Es gefällt mir nicht, wie du das sagst. So endgültig, als ob du damit den Tod meintest.«
»Absolut nicht!«, widersprach er heftig. »Aber ich will zur Ruhe kommen, mit deiner Mutter. Wir werden fortgehen, wenn alles vorbei ist. An irgendeinen Ort, an dem uns beide Welten nur noch knapp berühren können. Und dort werden wir die Jahre, die uns noch bleiben, miteinander verbringen. Ohne Verpflichtungen, ohne Einmischung oder Beeinflussung, ohne Tabus oder Regeln. Danach habe ich mich jahrhundertelang gesehnt. Ich habe meinen Teil damals im Krieg geleistet, und meine Aufgabe ist noch nicht beendet. An diese eine Regel muss ich mich halten, denn sie bewahrt mein Seelenheil. Andernfalls verliere ich, worum ich so hart gekämpft habe – und was deine Mutter mir einst schenkte.«
Nadja begriff immer weniger. Das
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