Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel - Schartz, S: Elfenzeit 8: Insel von Feuer und Nebel
Rückkehr nach Sizilien hatten sie schon so manche seltsame Begebenheit erlebt, doch hatten diese stets mit sehr weltlichen Dingen zu tun gehabt, nicht mit merkwürdigen Salzhäufchen und Kreidekreisen. Sie entschlossen sich, Augen und Ohren offen zu halten. Gemeinsam versorgten sie die Ziegen, während der Morgen voranschritt. Allmählich erwachte Sizilien um sie herum, von der Straße unten drang gedämpfter Motorenklang herauf. In der Ferne waren winzige bewegte Punkte auf der Autobahn auszumachen. Das Wetter konnte sich nicht recht entscheiden, was es wollte; immer wieder bewölkte sich der Himmel.
Nach einer Stunde bildete sich Nebel um den Ätna; von oben herab fiel der Dunst, wuchs aus dem Rauch und breitete sich zusehends aus. Der Himmel wurde immer trüber, selbst ohne Wolken erreichten die Sonnenstrahlen kaum noch den Boden. Die Ziegen meckerten und blieben im Stall, wollten nicht nach draußen. Besorgt betrachteten die alten Oresos den Himmel und fragten sich, was das alles zu bedeuten hatte.
»Wir werden auch noch verrückt«, befand Antonio brüsk. »Selbst auf Sizilien kann sich das Wetter einmal ändern, auch wenn es nicht oft vorkommt. Das hat nichts zu bedeuten.«
»Alles hat etwas zu bedeuten«, widersprach Natalia. »Und das weißt du genau.« Sie ging hinein und versuchte erneut, im Waisenhaus anzurufen, doch diesmal kam sie gar nicht durch. Eine Leitungsstörung, meldete eine automatische Ansage. Als die alte Frau auflegte, konnte sie sich des Gefühls nicht erwehren, jetzt völlig isoliert zu sein.
Sie ließen Letitia schlafen, Sesta hielt noch immer vor ihrer Tür Wache. Inzwischen ging es auf neun Uhr zu, und wie jeden Tag um diese Zeit kam die Post. Das war fast ein Trost, obwohl es augenscheinlich keinen Grund gab, sich wegen irgendetwas Sorgen zu machen. Aber Fabios seltsames Gebaren steckte an, noch dazu, da das Wetter draußen immer seltsamer wurde. Der Nebel fiel immer tiefer, wurde dichter und breitete sich aus, als wolle er die ganze Insel einhüllen. Der Krater des Vulkans glühte in einem unheilvollen Licht, und die Großeltern Oreso dachten an Nadja und Fabio. Wo sie jetzt wohl sein mochten?
Der Briefträger klingelte, und Antonio ging zur Tür. Die beiden begrüßten sich und unterhielten sich über das ungewöhnliche Wetter. Der Briefträger war ein junger Mann, der sich gleich entschuldigte, weil sein Kollege für eine andere Tour eingeteilt wurde.
»Dafür aber habe ich ein schweres Paket für Sie, aus Deutschland«, fuhr er fort. »Das heißt, für Nadja Oreso, ist sie hier zu finden? Sehr viele Oresos gibt es in der Gegend ja nicht, wie ich mir sagen ließ.«
»Das ist schon richtig. Sie ist unsere Enkelin«, antwortete Antonio.
»Kann sie den Empfang unterschreiben, bitte?«
»Das erledige ich. Meine Enkelin schläft noch, ich will sie deswegen nicht wecken.«
»Verstehe.« Der junge Mann wuchtete ein Paket aus dem Auto und kam ächzend zurück. »Achtung, es ist sehr schwer!«, warnte er. »Warten Sie, ich will es Ihnen lieber nicht in die Hand geben. Nicht, dass es herunterfällt und irgendetwas darin kaputtgeht oder Sie sich am Ende etwas zerren. Darf ich es innen neben die Tür stellen? Dann ist es in Sicherheit, und ich bekomme keinen Ärger wegen der Haftung, denn ich muss es korrekt zustellen.«
»Aber sicher«, sagte Antonio und gab den Weg frei.
In diesem Moment begriff Natalia. »Toni, nein!«, rief sie und hastete zur Tür, doch es war schon zu spät – der Mann war eingetreten. Im nächsten Moment ließ er das Paket achtlos fallen, warf die Tür hinter sich ins Schloss und zog eine Pistole.
Eine Schrecksekunde lang starrte Antonio auf die tödliche, schwarz schimmernde Waffe. So etwas sah er nicht zum ersten Mal, doch er hatte gehofft, diese Zeiten lägen endlich hinter ihm. »Tali, geh sofort in die Küche zurück und schließ die Tür«, sagte er dann.
»Die Signora geht nirgendwohin!«, befahl der Mann scharf. »Nicht, bevor ich es sage. Und Sie gehen jetzt zu ihr, los!«
Antonio gehorchte, und das alte Paar nahm sich an der Hand.
»Was wollen Sie denn?«, fragte Natalia ruhig und gefasst. Auch sie erinnerte sich noch an eine Zeit der Waffen und Bedrohungen. »Bei uns ist nichts zu holen, das sollten Sie wissen, wenn Sie vorher recherchiert haben.«
»Sie beide sind mir völlig egal«, versetzte der Mann. »Ich bin hinter jemand anderem her.« Er hielt weiterhin die Waffe auf sie gerichtet, während er mit der anderen Hand ein Walkie-Talkie
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