Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin - Schartz, S: Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin
lebhaftes Handeln herrschte. Doch plötzlich verstummten alle, als ohne erkennbaren Grund oder Vorwarnung eine Kuh umfiel und mit einem keuchenden Laut verendete. Erschrocken und verwirrt sahen sich die Männer um, zwei untersuchten die Kuh. Der Besitzer schrie laut auf, denn dieser Verlust bedeutete eine Katastrophe.
»Kommt das öfter vor?«, fragte Àtha.
»Noch nie«, antwortete der Fischer.
Àtha hatte das Gefühl, als ob sie ein wenig gestärkt wäre, aber sie wusste nicht, warum. Sie hatte seit dem Morgenmahl nichts mehr zu sich genommen, verspürte aber auch keinen sonderlichen Hunger. Trotzdem war sie nicht mehr so müde und benebelt wie zuvor.
»Schuhe gibt es gleich da vorn«, sagte Tómas und deutete auf die rechte Seite des Hauptweges. »Mehr als ein Paar Holzschuhe werden aber leider nicht drin sein.«
»Das genügt doch.« Àtha sah sich um. Dunkel erinnerte sie sich, dass sie früher schon ähnliche Märkte gesehen hatte. Aber wo? Und was hatte sie dort gemacht?
Inzwischen hatte sich die Sache mit der Kuh wie ein Lauffeuer herumgesprochen, und die Leute waren erneut in Aufruhr. Plötzlich wusste jeder zu berichten, was an diesem Tag alles schiefgegangen war. Gleich darauf brach das nächste Geschrei aus, als zwei Hühner, die ein Händler gerade aus dem Korb zog, kurz mit den Flügeln schlugen und mit einem schwachen Gackern starben.
Die Frau schrie ihren Mann an, er habe die Hühner umgebracht, aber er beteuerte, sie nur wie immer gehalten zu haben. Der Blick der Frau fiel auf Àtha, als sie gerade mit Tómas vorüberging, und sie deutete auf die Fremde.
»Die da!«, rief sie. »Das ist ihre Schuld!«
»Schluss damit!«, sagte ihr Mann und versuchte, sie zur Räson zu bringen.
»Àtha hat überhaupt nichts getan«, ereiferte sich Tómas. »Sucht nicht immer die Schuld bei den anderen! Nur weil sie fremd ist, hat sie nicht gleich den bösen Blick!«
»Und warum ist dann meine Kuh verreckt, als sie vorbeiging?«, erklang die Stimme des Bauern hinter ihm.
Àtha blieb stehen, als Tómas sich umwandte. »Pat, du bist außer dir vor Schmerz, und ich bedaure, was dir widerfahren ist, aber das geht jetzt zu weit.«
»Und meine Hühner?«, schrie die Händlerin. »Bei mir war es doch dasselbe!«
»Sie ist
krank!
«, rief die Kräuterfrau von gegenüber. »Sie steckt das Vieh an! Und am Ende sind wir dran!«
»Hört auf damit!«, bat Tómas. Er sah Àtha an. »Ich glaube, wir sollten gehen.«
Sie nickte. »Das ist wohl besser.«
Immer mehr Leute liefen zusammen und versperrten ihnen den Weg. »Was ist denn nur los mit euch?«, fragte Tómas. Er wirkte sichtlich verwirrt, und Àtha sah Anzeichen beginnender Furcht auf seinem Gesicht. »Ich wollte doch nur ein paar Schuhe für meine Frau …«
»Deine
Frau!
«, schnaubte die Hühnerhändlerin.
Die Frau des Schlachters walzte herbei. »Hier geht es doch nicht mit rechten Dingen zu!«
»Àtha hat keine Krankheit, und sie …«
Ein markerschütternder Schrei brachte Tómas zum Verstummen. Eine junge Irin starrte fassungslos auf Àthas Füße und stieß hervor: »Sie … sie hat keinen Schatten!«
Daraufhin hatte selbst Tómas nichts mehr zu sagen. Er sah Àtha mit wachsendem Entsetzen an.
Sie verstand nicht, wovon die junge Frau redete, und blickte an sich hinab. Dann verglich sie die Füße der anderen Menschen mit ihren… und sah endlich, was anders an ihr war. Das also hatte Tómas gemeint, als er sagte, ihr würde etwas fehlen!
Schatten
waren es, die sie mit sich schleppten, die jedes Ding und jeder Baum warf, entgegengesetzt zur Sonne. Und nun begriff sie selbst einiges. Schatten waren es, die Àtha den Atem raubten, sobald sie hineintrat, wohingegen das wolkenfreie Sonnenlicht ihre Haut zum Brennen brachte. Instinktiv sehnte sie sich stets nach dem Zwielicht, und deswegen hatte sie die meiste Zeit in der Fischerhütte verbracht.
»Schatten …«, flüsterte Àtha, und etwas wollte in ihr hervordrängen, zurück in die Erinnerung, aber die Mauern davor waren zu stark. Doch das Wort allein ließ die Frau aus dem See zutiefst erschauern. »Schatten sind böse … und der Tod …«
Nach dem kurzen Schock schrie jemand: »Sie ist eine Hexe!«
Und der Aufruhr kochte hoch. Alle riefen durcheinander, denn Àtha war damit erwiesenermaßen schuld am Tod der Tiere; es erklärte alles. Ein Tumult brach aus, als wenige Vernünftige die anderen aufhalten wollten! Tómas hob beschwichtigend die Hände, versuchte zu erklären, doch da flog schon
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