Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin - Schartz, S: Elfenzeit 9: Im Bann der Dunklen Königin
doch damit endete die »Verbrüderung« auch schon. Nach dem Tode der Eltern erbte Sir Rupert den Besitz, hatte aber weitergehende Ambitionen, als nur Landlord zu sein.
»Ich hatte keinen Grund, ihn umzubringen«, fuhr Àtha fort. »Er hat mich gerettet, als ich drohte, im See zu ertrinken.« Und war das etwa nicht die reine Wahrheit?
Allerdings empfand sie kein Mitleid für den unglücklichen Mann. Wäre das nicht angebracht gewesen? Tómas hatte ihr erklärt, dass er sie aus Mitgefühl gerettet hatte. Sie wusste nicht, was das war. Sie konnte es ihm nicht vergelten.
»Und wer bist du?«
»Níl a fhios agam, das weiß ich leider nicht. Ich habe mein Gedächtnis verloren. Man nennt mich Àtha.«
Ein weiterer Mann kam an Sir Ruperts Seite. »Was machen wir mit ihr, Sir Rupert?«
Der adlige Engländer überlegte. »Hier kann sie nicht bleiben. Wir nehmen sie mit, und ich kläre das.«
»Tuigim«, sagte der Mann. »Ich verstehe.«
»Gebt diesem Mann ein würdiges Begräbnis. Soweit ich das erkennen kann, hat er einen gefüllten Beutel bei sich; das wäre nur angemessen, bevor diese gierige Meute Leichenfledderei betreibt.«
»Aye. Wie Sie wünschen, Mylord.«
Nun war es also so gekommen, wie Tómas vorgeschlagen hatte. Àtha konnte fühlen, dass es richtig war, was geschah, und sie dem wichtigen Ziel näher kam. Ihr schien es sogar, als habe sie ein wenig mehr Zeit gewonnen.
»Go raibh maith agat – danke.«
Prompt sagte er: »Ná habair é, keine Ursache.«
Die Leute murrten, aber niemand wagte ein lautes Wort.
Es ist der richtige Weg
, dachte Àtha und fühlte sich gleich viel lebendiger.
Nach Osten. Ja, nach Osten, wo das Leben beginnt
.
Der Getreue ging in das steinerne Observatorium. Niemand nahm ihn wahr, obwohl die Sonne hoch am Himmel stand. Der Bann wirkte nach wie vor, doch dessen Dauer war begrenzt. Kurz stutzte der Verhüllte, als er einen zweiten Bann spürte, und schmunzelte. Die beiden kleinen Kobolde waren am Werk gewesen – damit hatten sie ihm sogar einen Gefallen getan.
Der Getreue fühlte, wie seine Kräfte schwanden. Die Sterblichkeit rüttelte bereits an ihm, die materielle Welt bereitete ihm Schmerzen. Deshalb musste er es nach Einbruch der Dunkelheit unbedingt wagen. Er hoffte, dass die Vorbereitungszeit gereicht hatte und dass auch seine verbliebene Macht noch genügte.
Die dunklen Elfen, einschließlich Cor und des Kau, lagen im reglosen Bannschlaf – genau so, wie er sie zurückgelassen hatte. Das sollte sich bald ändern. In der Nacht, während der Getreue das Zeitgrab öffnete, sollten die Soldaten erwachen und vorbereitet sein. Sobald bekannt würde, dass Bandorchu frei war, würde die Gegenseite nicht lange fackeln …
Nachdem er den Bann geändert hatte, ging der Getreue wieder hinauf zum Hügelgrab, ohne die Zwischenwelt zu verlassen. Er ließ sich auf einer Wartebank nieder und beobachtete die Menschen, die im stetigen Strom kamen und gingen. Die Touristenführer wechselten ihre Schicht, ebenso die Kontrollbesetzung.
Was verstanden sie wirklich von der Bedeutung dieses Grabes, wenn sie hineingingen und die uralte Magie fühlen konnten? Konnten ihre Sinne überhaupt einigermaßen erfassen, wer diese Steine einst aneinandergereiht und aufgeschichtet hatte? Oder waren sie so abgestumpft, dass dies nur ein weiterer Haufen toter Blöcke war, die in diesem Land überall umherstanden?
Was für eine reiche Insel es einst gewesen war. Nicht gleich zu Beginn, da hatte es nur Steine und Moor gegeben, doch nach und nach, je weiter die Besiedlung vorangeschritten war, waren all die Schätze zum Vorschein gekommen, die Erdreich und Höhlen bereithielten. Mächtige Wälder hatte es gegeben, in denen Riesenhirsche lebten, und draußen vor der Küste waren die Wale ganz nah herangekommen. Die ersten Häuser wurden aus Holz erbaut, und nichts von ihrer einstigen Pracht war übrig geblieben. Reichhaltige Verzierungen an den Türstöcken, eingebrannte Muster, bemalte Szenen, aufgewertet mit Gold und Edelsteinen.
Doch je weiter die Besiedlung fortgeschritten war, umso mehr hatte die Insel sich selbst verloren, Stück für Stück. Von überall her waren sie in ihren Schiffen gekommen, auf der Suche nach Pfründen, und hatten sie hier gefunden. Ein mildes Klima, fruchtbares Land, auf dem das Vieh gut gedieh – so hatte jeder seinen Teil beansprucht.
Die göttlich-elfischen Tuatha Dè Danann formten einst den ersten großen Stamm, der das Land organisiert besiedelte und Ackerbau und
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