Elfenzorn
hatte eine wirklich verblüffende Ähnlichkeit mit der alten Metropole des Mayareiches. Vieles in dieser Welt war so anders, dass sie noch nicht einmal versuchte, es wirklich zu verstehen, aber manches war auch so ähnlich, dass es unmöglich ein Zufall sein konnte.
»Aber die Stadt sollte doch seit tausend Jahren oder so verlassen sein, und seit wann reiten Mayakrieger auf Salamandern?«
Pia antwortete nicht darauf, sondern nickte nur ernst und tat so, als dächte sie angestrengt über Jesus’ Worte nach … was sie auch tat, allerdings auf andere Weise, als er wahrscheinlich annahm. Sie hatte Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen. Für einen winzigen, kostbaren Augenblick hatte sie etwas anderes in Jesus gesehen, etwas, was er nie gewesen war und niemals sein würde. Aber sie hatte nicht das Recht, ihm das jetzt zum Vorwurf zu machen.
»Das alles ist wirklich verrückt«, murmelte er noch einmal. »Manchmal frag ich mich, ob das alles überhaupt wirklich passiert. Ich meine: Vielleicht bin ich ja schon tot, und das hier ist die Hölle.«
Pia räusperte sich übertrieben. »Ich bin hier.«
»Na dann eben der Himmel«, verbesserte sich Jesus, und von der Tür her fügte Alica mit einem Lachen hinzu:
»Also so krank, wie du behauptest, kannst du gar nicht mehr sein, du alter Charmeur. Sonst hättest du wohl kaum die Energie, die erhabene Prinzessin Gaylen schon wieder so dezent anzubaggern.«
Krank? Pia sah Jesus noch einmal – und jetzt sehr viel aufmerksamer – an. Er wirkte tatsächlich blass und ein wenig kränklich. Dass es ihr bisher nicht aufgefallen war, lag schlichtweg daran, dass sie ihn noch weit kränker und schwächer in Erinnerung hatte.
»He!«, protestierte Jesus. »Ich habe sie nicht –«
»Schon gut, Langer.« Alica brachte ihn mit einer beiläufigenGeste zum Schweigen. Pia bemerkte erst jetzt, dass sie nicht allein zurückgekommen war. Zwei weitere Gestalten folgten ihr. Die beiden waren klein von Wuchs und gingen noch dazu gebückt. Im ersten Moment glaubte Pia, der Grund dafür wäre die Last dessen, was sie trugen, dann stellte sie fest, dass es nicht mehr war als ein paar Kleider und ein hölzernes Tablett mit Obst und einer Schale Wasser. In Wahrheit senkten die beiden Frauen vor lauter Ehrfurcht so tief die Köpfe, dass sie aufpassen mussten, nicht über ihre eigenen Füße zu stolpern. Pia sagte nichts dazu, nahm sich aber fest vor, bei der nächsten Gelegenheit ein längeres Gespräch mit Alica zu führen. Hier würde sich einiges ändern. Sobald sie wieder weit genug auf dem Damm war, um ohne Mühe bis drei zählen zu können, hieß das.
Alica wartete, bis die beiden Frauen ihre Last abgeladen und sich rückwärts entfernt hatten.
Eine der Dienerinnen hatte etwas gebracht, dessen Verlockung sie einfach nicht wiederstehen konnte: eine Schale mit kristallklarem, köstlich duftendem Wasser. Ohne viel Federlesens kniete sie davor nieder, nahm sie in beide Hände und leerte sie mit wenigen gierigen Schlucken. Es war das Köstlichste, was sie jemals in ihrem Leben getrunken hatte.
Alica räusperte sich unecht. »Das ... äh ... war eigentlich zum Waschen gedacht.«
»Es war trotzdem köstlich«, antwortete Pia.
Alica räusperte sich noch einmal, und noch unechter. »Es waren ... ähm ... wohlriechende Kräuter und Blütenextrakte darin.«
»Äußerst leckere Kräuter«, erwiderte Pia.
»Und Seife«, schloss Alica.
Gut, dann war es eben die köstlichste Seife , die sie je getrunken hatte. Sie sparte es sich, das auch noch auszusprechen, trank aus purem Trotz noch den Rest aus der flachen Schale (die nebenbei bemerkt aus purem Gold bestand) und wandte sich dann den Kleidern zu, die die beiden Bediensteten gebracht hatten. Einmal davon abgesehen, dass sie haarscharf an ihrem Geschmackvorbeischrammten (so um ungefähr zwei oder drei Lichtjahre), sahen sie vor allem eines aus: dünn . Plötzlich musste sie sich beherrschen, um sich den zerfetzten Thermoanzug nicht gleich vom Leib zu reißen. Aber es gelang ihr.
Alica erwies sich als sensibler, als sie es jemals für möglich gehalten hätte (vielleicht waren ihre Gedanken auch einfach nur zu deutlich auf ihrem Gesicht abzulesen), denn sie machte eine neuerliche und diesmal eindeutig befehlende Geste mit beiden Händen, die Jesus galt.
»Wo hast du eigentlich deine Kinderstube genossen?«, fragte sie vorwurfsvoll. »Siehst du denn nicht, dass es der Erhabenen danach gelüstet, sich zu waschen und umzuziehen?«
Jesus sah
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