Elfenzorn

sein wie beim ersten Mal, und das Einzige, was noch grausamer gewesen war als die Kälte, waren die brennenden Schmerzen, mit denen ihre Lungen versucht hatten, aus der praktisch nicht mehr vorhandenen Luft wenigstens genug Sauerstoff zu ziehen, damit sie nicht das Bewusstsein verlor.
    Nicht dass sie besonders scharf darauf gewesen wäre. Ganz im Gegenteil: So eine hübsche altmodische Ohnmacht, aus der sie in eine kuschelige warme Decke eingewickelt wieder aufwachen würde, käme ihr jetzt gerade recht.
    Der Pegasus faltete raschelnd die Flügel zusammen, machte noch ein paar schnelle Schritte, um den Rest seiner Bewegungsenergie aufzuzehren, und senkte dann den Kopf zum Wasser, um zu trinken. Seine Bewegungen hatten den Großteil ihrer natürlichen Eleganz und Kraft eingebüßt, und sein Atem ging rasselnd. Pia verspürte einen sachten Stich von schlechtem Gewissen, als ihr klar wurde, wie viel sie dem tapferen Tier abverlangt hatte, aber selbst für dieses Gefühl fehlte ihr im Moment die Kraft. Alles, was sie wollte, war, wieder festen Boden unter den Füßen zu spüren und einen Becher mit einem kochend heißen Getränk, das sie in einem einzigen Zug herunterstürzen konnte.
    Pia brachte irgendwie das Kunststück fertig, ihre steif gefrorenen Finger vom nicht minder steif gefrorenen Leder des Zaumzeugs zu lösen, schwang sich mühsam aus dem Sattel und wäre um ein Haar gestürzt, als ihre Knie unter ihr nachzugeben drohten.
    »Vielen Dank, dass Sie mit Pegasus-Airlines geflogen sind und willkommen auf Mutter Erde ... oder wie auch immer dieser Planet heißen mag.« Alica tauchte keine fünf Meter neben ihr aus dem Fluss auf, machte zwei kraftvolle Schwimmzüge, nach denen sie sich im jetzt nur noch hüfttiefen Wasser aufrichtete und dann ans Ufer watete. Selbst mit nassem Haar und in einem schwarzen Badeanzug, der deutlich mehr verhüllte als die meisten Kleider, die sie normalerweise trug, sah sie so fantastisch aus, dass Pia einen kurzen Stich von vollkommen absurdem Neid verspürte. Aber schon in der nächsten Sekunde wurde ihr auch klar, wie albern das war. Statt sich weiter damit zu kasteien, dass sie dieser Aphrodite in schwarzem Leder dabei zusah, wie sie den Fluten entstieg, ließ sie sich selbst auf die Knie sinken und tauchte die Hände ins Wasser. Sie waren noch immer so kalt, dass sie nicht einmal seine Temperatur spürte, aber schon nach wenigen Augenblicken begannen ihre Finger zu kribbeln, dann zu schmerzen.
    »Das ist, glaube ich, keine gute Idee.« Alica trat nicht nur unmittelbar neben ihr aus dem Wasser, sondern schüttelte sich auch wie eine nasse Katze, was ihr einen ärgerlichen Blick Pias und ein unwilliges Schnauben des Pegasus eintrug. »Ich hab irgendwo mal gelesen, dass man sich auf gar keinen Fall zu schnell aufwärmen sollte, weil sonst das Risiko besteht, dass man sich die hässlichsten Sachen einfangen kann.«
    »Ja, ich freue mich auch, dich unbeschadet wiederzusehen«, sagte Pia missmutig. »Und danke der Nachfrage, es geht mir gut.«
    Alica runzelte die Stirn, machte wieder einen Schritt zurück ins Wasser und betrachtete Flammenhuf und sie auf eine Art, als fiele ihr erst jetzt auf, dass irgendetwas mit ihnen nicht stimmte. »Was hattest du vor?«, fragte sie. »Wolltet ihr einen neuen Höhenrekord aufstellen?«
    Pia blickte sie zwar noch böser an, folgte aber trotzdem ihrem Rat (und dem immer heftiger werdenden Pochen in ihren Fingern) und stand auf. Ihr war noch immer entsetzlich kalt, und siewar ganz und gar nicht sicher, sich das trockene Knacken ihrer Gelenke nur einzubilden.
    »War nicht meine Idee«, antwortete sie mit einiger Verspätung und einer Kopfbewegung auf Flammenhuf, der unbeirrt fortfuhr, ebenso lautstark wie gierig seinen Durst zu stillen. »Er ist auf dem letzten Stück so hoch geflogen, dass ich dir jetzt glaubhaft versichern kann, dass es im Orbit über dieser Version der Erde ganz bestimmt keinen Satelliten gibt.«
    Vielleicht eine halbe Sekunde lang sah Alica sie so vollkommen verständnislos an, als wüsste sie mit diesem Wort nichts anzufangen, dann rettete sie sich in ein ebenso nervöses wie unechtes Lachen. Pia erschrak ein bisschen. Alica war seit gut vier Jahren hier, eine lange Zeit, vor allem in einer Umgebung, die einen mit derart neuen Erfahrungen und Eindrücken überschwemmte. Aber trotzdem: Sie konnte doch nicht schon anfangen, alles zu vergessen!
    »Hattest du wenigstens Erfolg?«, fragte Alica.
    Pia nickte stumm. Entdeckt hatte sie die